Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
Vom Netzwerk:
gewalttätig, und kein Streit dieser Welt wird nach Regeln geführt. Wenn einer einen Streit anfängt und ihn auch gewinnen will, muss er alles einsetzen, er kann nicht sagen: »Kämpfen wir nur mit den Fäusten«, oder aber: »Tiefschläge sind tabu.« O nein, wenn du anfängst, dann schlag ich zurück, so fest ich kann: Fausthiebe, Fußtritte, Bisse, Knüppel, ich setze alles ein, und mein Leben geht mir über alles. Nur so kann ich hoffen zu siegen.
    Die aber besetzten erst die Fabriken und verbrannten pagliaii , dann überlegten sie es sich anders. »Squadristen!«, schimpften sie meine Onkel jetzt. Und je mehr wir schossen, umso mehr überlegten sie es sich, denn sie waren uneins, ich sagte es Ihnen bereits, sie hatten keinen Führer und keine einigende Idee. Bei ihnen gab es tausend Gruppierungen, tausend Unterscheidungen, und jeder handelte nach seinen eigenen Vorstellungen. Keine Chance, sie zusammenzubringen. Im Gegenteil, jeder von ihnen nannte den anderen »Verräter« – genau wie heutzutage bei uns die Linke –, und die einen schrien »Revolution!«, und die anderen »Nein, Halt: Reformen!«, und am Ende taten sie gar nichts. Und auch diejenigen, die Widerstand leisten wollten – wie zum Beispiel die Arditi del Popolo – standen am Ende allein da und sagten sich: »Ja, warum sollte ich das tun? Bin ich vielleicht der Depp für alle? Ich bleib zu Hause und schau zu, wie es ausgeht.« Und so haben sie das Rote Biennium verloren.
    Knapp zwei Monate später, schon im November und Dezember, wurden sämtliche sozialistischen Kommunal- und Kreisverwaltungen im Gebiet der Ferrareser Sümpfe, in der Emilia, in Apulien, Julisch-Venetien und der lombardischen Tiefebene aufgelöst. Lauter rote Verwaltungen, die durch Rücktritte fielen – Rücktritte, denen natürlich mit Schüssen nachgeholfen wurde –, und bei den Wahlen setzten die Leute die Unsrigen, die Faschisten, an ihre Stelle. Und wo früher alles voll gewesen war mit Camere del lavoro, Ligen und sozialistischen Parteibüros, liefen ihnen die Menschen jetzt in Scharen davon und schrieben sich allesamt beim Fascio ein, weil sie da Kraft sahen, Entschiedenheit, eine einigende Idee: »Die schaffen es. Nein, sie haben es schon geschafft.« Genau wie am 25. Juli 1943, als am Tag zuvor noch alle Faschisten gewesen waren, am Tag danach aber alle Antifaschisten; oder 1989 bis 1994, erst alle Kommunisten oder Democrazia-Cristiana-Anhänger, dann alle Berlusconianer oder Anhänger der Lega. Der Wind dreht sich, mein Freund, und wenn er sich dreht, bedeutet das Sturm.
    Wir allerdings gehörten zum Fascio von Ferrara, wir hingen von denen ab. Und in Ferrara hatte Balbo das Sagen. Rossoni dagegen war in Mailand, er leitete dort die faschistischen Gewerkschaften, und er und Balbo hatten sich nie leiden können. Balbo war einer, der, wenn er wo war, alles beherrschen musste. Auch zu Mussolini sagte er immer, bis zuletzt: »Du bestimmst alles, und ich gehorche. Aber in dem kleinen Bereich, den du mir zum Herrschen lässt, da darfst du dich nicht einmischen.« Und tatsächlich ist er mit Mussolini – selbst nachdem er der Duce war – nie so recht warm geworden. Am Schluss konnte der Duce ihn einfach nicht mehr sehen, denn er war der Einzige, der ihn im Faschistischen Großrat nach wie vor duzte.
    Das wurmte ihn. Ihm schien, er würde die Hierarchien nicht beachten, und so schickte er ihn nach Libyen: »Geh und spiel dort den Gouverneur, dann bist du aus dem Weg.« Tatsache ist aber, dass Balbo ein großartiger Organisator war, ein Ausbund an Energie, und dass er es war, der Mussolini 1924 – als der wegen dem Fall Matteotti nicht mehr aus noch ein wusste – einen solchen Schock verpasste, dass er ihn wie Lazarus wieder zum Leben erweckte. Oder wie Frankenstein.
    Im Parlament wurde der Duce mittlerweile von allen Seiten angefeindet. Er war allein wie ein Hund, er hatte nur noch wenige Stunden – sagten alle –, er musste zurücktreten, der Fall Matteotti war ein zu starkes Stück und er der Auftraggeber. Oder genauer gesagt, er behauptete, das sei nicht wahr, und das sagten auch meine Onkel: »Dumini war’s, der hat alles verpatzt.«
    Es mag ja stimmen, dass der Fehler bei Dumini lag, dass sie ihn nicht umbringen, ihm nur eine Lektion erteilen wollten – fertig, aus –, diesem Matteotti, der Mussolini am 30. Mai 1924 im Parlament gehörig die Meinung gesagt hatte.
    Er hatte ihn in Rage gebracht, Mussolini war außer sich, so dass er, kaum heraußen aus dem

Weitere Kostenlose Bücher