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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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–, aber man sieht genau, dass sie über dem schwarzen Hemd die Liktorenschärpe trugen, denn alle sechs hatten am Marsch auf Rom teilgenommen und hatten das Recht dazu; ich glaube, es gibt wenige Familien in Italien mit so viel Liktorenschärpen und Rom-Marschierern, und Onkel Turati war, ich sagte es schon, nicht einmal sechzehn und am schärfsten bewaffnet von allen, den Gürtel voller Dolche und Handgranaten. Und als sie mitten in der Nacht des 26. Oktober mit dem 18 BL losfuhren, schrie ihnen Großmutter hinterher: »Mistkerle, hier muss gesät werden.«
    »Wir machen das schon, Mama, keine Sorge, wir machen das.« Und sie haben es auch tatsächlich geschafft, rechtzeitig zur Aussaat wieder da zu sein, denn sie hätten selbst nicht gedacht, dass alles so ruhig vor sich gehen würde. Sie glaubten wirklich, in einen neuen Krieg zu ziehen, und ein paar Gedanken – über die Aussaat, die den Bach runterging – machten sogar sie sich: »Die Frauen werden das schon machen.« Aber sie brachen auf in der Nacht des 26. Oktober, und am Abend des 1. November, Allerheiligen, waren sie todmüde schon wieder zu Hause, und am Tag darauf, Allerseelen, schickte meine Großmutter sie zum Aussäen.
    Keinen einzigen Schuss hatten sie abgegeben. Nur in San Lorenzo – dem Viertel in Rom – war es zu Zwischenfällen gekommen. Das war ein Arbeiterviertel – sozialistische und kommunistische Eisenbahner –, und als sie am Morgen des 31. Oktober durch ihr Viertel zogen, passte denen das nicht. An diesem Tag ließ man die Faschisten endlich in Rom zusammenkommen, und der Marsch auf Rom war gewonnen. Der König hatte Mussolini rufen lassen und zu ihm gesagt: »Ist gut, mach du die Regierung.«
    Der hatte geantwortet: »Majestät, ich bringe Euch das Italien von Vittorio Veneto«, und alles war vorbei, noch ehe überhaupt ein Faschist seinen Fuß in die Stadt gesetzt hatte. Sie waren noch alle draußen. Wir hatten gesiegt. Aber bevor man nun alle wieder nach Hause schickte, war es nur recht und billig, dass man sie nach Rom hineinkommen und einen Aufmarsch veranstalten ließ, so dass sie glauben konnten, es sei alles ihr Verdienst und sie hätten die Stadt mit Waffen eingenommen, nicht durch Absprachen hinter den Kulissen; wozu waren sie denn sonst hergekommen? Und als sie am 31. Oktober nach Rom hineinströmten, um ihren Aufmarsch zu machen, und der Zug aus den Abruzzen unter dem Kommando von Bottai beim Marsch durch die Straßen von San Lorenzo anfing, in die Luft zu schießen, da erwiderten die Arbeiter und Eisenbahner von San Lorenzo das Feuer und schossen auf sie, und es gab Tote und Verletzte. Aber nur dort. Das Ganze war bloß eine große Strapaze.
    Am 27., während der Zug verlangsamt in Richtung Terni fuhr – denn dort sollten ihre Einheiten zusammentreffen –, taten die Brüder den ganzen Tag lang nichts anderes, als Onkel Adelchi zu fragen: »Aber warum bist du mitgekommen? Man wird schießen müssen.«
    »Dann schieße ich halt auch«, erwiderte er.
    Aber sie waren nicht überzeugt und bohrten nach: »Aber bist du sicher? Siehst du, man wird wirklich schießen müssen.«
    »Dann schieße ich halt«, beharrte er. »Immer noch besser, als zu Hause zu bleiben. Die hätte die ganze Aussaat mich machen lassen.« Hingegen hat keiner von ihnen auch nur einen einzigen Schuss abgefeuert, auf diesem ganzen Marsch auf Rom – nur die in San Lorenzo, wie gesagt, als der eigentliche Marsch vorbei war.
    Zwei Tage lang waren sie in Terni geblieben, rings um den Bahnhof im Regen, nichts ging weiter. Ein Regen, dass Gott erbarm. Tag und Nacht. Ab und zu hieß es: »Jetzt geht’s weiter.«
    »Nein, später.«
    Und in dieser Manier zwei Tage lang im strömenden Regen, und die einen sagten, das Militär hätte Straßensperren errichtet und würde uns nicht durchlassen und es würde ein Blutbad geben, andere hingegen sagten, das Militär sei auf unserer Seite. »Jetzt lassen sie uns durch.«
    Ich weiß jetzt nicht, wie das wirklich gelaufen ist. Die einen sagen, der Regierungschef – Facta – hätte das Dekret für den Belagerungszustand schon vorbereitet gehabt samt Schießbefehl fürs Militär. Aber als er zum König kam, um es unterzeichnen zu lassen, hätte der zu ihm gesagt: »Lass sein, gib her, ich mach das schon«, und ihn zum Rücktritt bewegt. Dann besprach er sich mit Giolitti, der schon alt war, aber immer noch alles beherrschte.
    »Belagerungszustand?«, sagte Giolitti zum König. »Lass das sein, König. Ruf diesen

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