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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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– hinter einer Ulme – und hatten sich jeder mit einem Stock bewaffnet, den sie von einem Holzstapel gleich daneben genommen hatten. Das Holz war noch nicht sehr trocken – es war noch grün –, der Bauer musste es erst vor kurzem geschlagen haben.
    Mondschein drang schwach durch die Wolken.
    Sie sahen den Priester näher kommen, ein anderer ging mit ihm – vielleicht war es der Kaplan oder einer der Jungen, die den Pfarrsaal oder seine Schulen besuchte –, und sie redeten miteinander. Der Priester hielt eine Art Schrein in Händen, mit den Fläschchen und Kännchen für das geweihte Öl und was weiß ich, aber ich glaube, nicht mit geweihten Hostien, denn damals bekam man die nicht so leicht. Als er und der Kaplan auf ihrer Höhe waren, sprangen sie auf die Straße und stellten sich ihnen in den Weg. Der Kaplan – oder ein Junge aus dem Gemeindesaal, wer weiß – bekam Angst, schrie: »O weh!«, und wich zurück.
    In diesem Augenblick machte auch Großmutter in ihrem Bett in Codigoro »Ah!«, fuhr aus dem Schlaf hoch und rang nach Luft. »Was ist los?«, fragte Großvater, der ebenfalls aufgewacht war vom Hochfahren seiner Frau, die jetzt aufrecht im Bett saß und keuchte, während draußen ein Käuzchen zu rufen begann. »Der Herr strafe dich!«, sagte Großvater zum Käuzchen und wiederholte sanft noch einmal zu seiner Frau: »Was ist?« »Ich habe einen schwarzen Mantel gesehen. Ganz, ganz schwarz.« »Schlaf nur, schlaf.« Und allmählich streckte sie sich wieder aus.
    »O weh!«, hatte jedenfalls der Kaplan in Comacchio gerufen, während mein Onkel und dieser andere vor sie hinsprangen und ihnen den Weg versperrten.
    »Ihr seid gewarnt, hatte ich Euch gesagt«, stieß mein Onkel Pericle zwischen den Zähnen hervor, immer noch wütender auf den Faschisten aus Comacchio, auf Balbo und Rossoni und sogar auf Mussolini als auf den Pfarrer. Er hatte die Arme ausgebreitet, um im schwachen Mondschein den Stock sehen zu lassen.
    Aber der Priester wich keinen Schritt zurück. Er war nur stehengeblieben, hatte fast unmerklich die Hände gehoben und die heiligen Gerätschaften vor die Brust gebracht. »Ich bin ein Diener des Herrn«, sagte er. Und dann: »Passt auf, was Ihr tut.«
    »Droh du nur«, sagte der Freund von Onkel Pericle und versetzte ihm von der Seite einen Stockhieb auf den Rücken, wobei er auf das linke Schultergelenk zielte.
    Der andere hatte versucht, dem Schlag auszuweichen und sich zur Seite gebeugt, aber durch die Bewegung waren der Schrein und die ganzen heiligen Gerätschaften im Begriff, hinunterzufallen, also hatte er sich vorgebeugt, um dem zuvorzukommen und sie aufzufangen. Und er bekam seinen Satz »Aber das habe ich doch für Euch gesagt« nicht mehr zu Ende, da traf ihn Pericles Schlag.
    Auch er hatte auf die Schultern gezielt – aber gerade, von oben nach unten –, und als der Hieb sein Ziel erreichte, waren da nicht mehr die Schultern, weil er sich gebückt hatte, um seine heiligen Sachen festzuhalten. Der Stock – in Vollendung seiner Bahn – traf ihn am Kopf, hinten im Nacken: der war nach vorn gebeugt und der Hinterkopf nun ganz ungeschützt. Sofort hörte mein Onkel das Krack , wie von einer aufgebrochenen Melone, und er hörte das nicht mit den Ohren, sondern spürte es in der Hand, wie weitergeleitet von den noch grünen Fasern des Ulmenastes. Mit einem Satz fiel er zu Boden, ganz um seine heiligen Gerätschaften zusammengekrümmt. Und röchelte schon.
    Mein Onkel begriff sofort. Sein Freund nicht, und während der Pfarrer schon am Boden lag, versetzte er ihm noch ein paar Schläge auf den Rücken und einen dem Kaplan, der näher gekommen war.
    »Hör auf«, sagte mein Onkel Pericle zu ihm, »wir haben schon genug Unheil angerichtet, zum Teufel alle miteinander«, und er dachte an Rossoni, Balbo und Mussolini, und an seinen Vater und seine Mutter und den Tag, da er auf die Welt gekommen war, »und ich Hundesohn an erster Stelle«, und sie flohen zu Fuß auf der Straße, die von Comacchio nach Lagosanto führt, eine staubige Schotterstraße voller Steinbrocken, über die sie in der Nacht auch noch stolperten. Und mein Onkel kickte sie voller Wut vor sich her, wenn er an das Gesicht des Priesters dachte, der im Hinfallen gesagt hatte: »Aber das habe ich doch für Euch gesagt«, unter den Strahlen des Mondlichts.
    Ich weiß nicht, wie viele Kilometer sie zurückgelegt hatten, und auch nicht, wie spät es – mittlerweile – war, als der aus Comacchio sie mit dem Motorrad

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