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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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unsere Sache war das Großvieh, Esel oder Mulis, Pferde und vor allem Kühe. Aber keine Insekten. Wenn wir ein Insekt sahen, erschlugen wir es, und wenn uns eine Biene oder Wespe ins Zimmer kam – oder auch nur in den Stall –, dann bedeutete das Krieg.
    Sie war es, die uns die Bienen ins Haus gebracht hatte, wir kannten sie nicht – oder genauer, wir wussten schon, was sie waren, aber so nahe Bekanntschaft hatten wir vorher nicht mit ihnen gemacht –, und nun mussten wir damit zurechtkommen. Geschenktem Gaul usw. usf. Aber sie selbst war auch so ein Gaul, mit dem sich bei uns im Haus fast niemand so recht anfreunden konnte. Vor allem die Frauen nicht. Sie nickten immer, das heißt, sie hörten ihr zu und respektierten sie. Aber sobald sie sich umdrehte, war es ein Einziges: »Aber schau doch nur, was Pericle sich da angelacht hat.« Und nicht nur wegen den Bienen. Die Bienen waren das wenigste.
    Sie sagten, sie sei ein bisschen eine Hexe und hätte den Bruder verzaubert: »Wenn nicht, was glaubst du denn sonst, warum Pericle so verblödet?« Und dann war sie schön, und sie war eben die Frau von Pericle, und für einen Pericle aus der Familie Peruzzi wäre keine Frau auf dieser Welt gut genug gewesen, nicht einmal eine Königstochter. Wo eine finden, die ihm das Wasser reichen konnte? Eine Peruzzi, ja, das wäre genau das Richtige gewesen. Wenn man das nur gekonnt hätte.
    So hatte Pericles Frau ihr Bienenhaus und das kleine Kind, das sie noch stillte, genommen – die Erste, die Große, ließ sie dort bei der Großmutter – und war nach hinten zu den Güterwaggons gegangen, wobei sie zwischendurch immer wieder das Tuch lüpfte, das den Bienenstock bedeckte.
    Sobald Onkel Pericle sie sah, musste er lachen. Er sprang mit einem Satz hinunter, und während sie das Bienenhaus auf dem Waggonboden abstellte und meinem Onkel Temistocle das Kind gab, packte er sie von hinten und hob sie hoch, versäumte dabei aber nicht, ihr für alle gut sichtbar den Hintern zu tätscheln.
    »Lass das, du Schwein«, wand sie sich los, kaum dass sie oben war. Und er lachte.
    Wie bitte, was sagen Sie? Wer diese Frau von meinem Onkel Pericle war? Woher sie kam?
    Das erkläre ich Ihnen gleich.
    Sie erinnern sich sicher an damals, 1919, als man uns in Codigoro den pagliaio in Brand steckte und meine Onkel ins Dorf fuhren, um sich, sagen wir mal so, etwas Gerechtigkeit zu verschaffen. Nun, Sie werden sich auch erinnern, dass irgendwann die Camera del lavoro in Flammen aufging (Verzeihung, was sagen Sie? Sie ist nicht von allein in Flammen aufgegangen? Es waren meine Onkel, die sie angesteckt haben? Ist ja gut, wir wollen aber hier doch keine Haarspaltereien betreiben) und dass drüber Leute wohnten, die mein Onkel Pericle ungeachtet der großen Gefahr in Sicherheit brachte.
    Was sagen Sie? Dass er das Gebäude aber auch angezündet hat? Verstehe, das sagten wir bereits, unnütz, darauf herumzureiten.
    Jedenfalls werden Sie sich noch an dieses blonde Mädchen erinnern, die vom Fensterbrett hing und um sich trat, um sich nicht von ihm retten zu lassen, und die ihm, kaum in Sicherheit, eine Ohrfeige verpasste und »Du Mörder!« ins Gesicht schrie.
    Schön, und Sie werden sich auch an jenen anderen Abend erinnern – Jahre später –, als mein Onkel, sagen wir mal, einen Unfall mit dem armen Pfarrer von Comacchio hatte. Wie bitte, was sagen Sie? Das war kein Unfall? Verstehe, aber so kommen wir nicht weiter. Lassen Sie mich doch weitererzählen, ich bitte Sie.
    Schön, und als er an jenem Abend von Comacchio zurückkam, wusste mein Onkel, dass er etwas Schlimmes begangen hatte und dass er das in irgendeiner Weise würde büßen müssen. »Wer weiß, wie lang ich im Knast sitzen werde.« Der ärgste Gedanke aber, das, was ihm schwer auf den Schultern lastete, das war nicht so sehr die Vorstellung, ins Gefängnis zu müssen – »Das geht vorbei« –, sondern die Ungeheuerlichkeit dessen, was er begangen hatte, oder besser gesagt, was ihm seiner Ansicht nach zugestoßen war und was er hatte tun müssen. Und hinten auf dem Motorradsitz – an diesen Freund aus Massafiscaglia geklammert, der sich seinerseits an dieses Rindvieh von einem Fahrer aus Comacchio klammerte, der sie nach Hause brachte –, als er ab und zu durch die Sätze des Motorrads hochgeschleudert wurde und fühlte, wie ihm die Luft über den Nacken strich, konnte er keine Ruhe finden, rechnete sich einerseits aus, wie lang er im Knast würde verbringen müssen, und hörte

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