Canard Saigon (German Edition)
mich gegen Budgetkürzungen gewehrt und fordere ständig eine bessere technische Ausstattung. Politisch stehe ich im falschen Lager. Die wollen das gesamte BKA umfärben. Ich habe Informationen, dass alle Schlüsselpositionen mit ihren Parteifreunden besetzt werden sollen. Ich wehre mich dagegen, daher muss ich auch weg.“
„Aber Rot und Schwarz bilden doch eine Koalitionsregierung. Die können ihren Koalitionspartner nicht so vor den Kopf stoßen“, warf Marc ein.
„Deshalb gibt es mich ja noch. Daher brauchen sie einen Misserfolg, um in der Öffentlichkeit meinen Kopf zu fordern. Und diese Mehrfachmorde haben das Potenzial dazu. Deshalb habe ich dich ausgesucht, Marc. Ich brauche dich, weil ich mich auf dich verlassen kann. Aber dir muss klar sein, dass uns mit jedem Tag, der verstreicht, ein rauerer Wind entgegenblasen wird. Und das Zentrum dieser Sturmfront befindet sich in den eigenen Reihen.“ Josef legte eine Pause ein. Er räusperte sich und sah Marc in die Augen. „Jetzt weißt du, wie der Hase läuft. Wenn du immer noch aussteigen willst, sag es mir jetzt. Ich könnte es dir nicht verübeln.“
„Josef, du kennst mich. Natürlich mache ich weiter. Jetzt erst recht. Aber gut, dass ich Bescheid weiß. Wir werden es diesen Arschlöchern nicht leicht machen, das verspreche ich dir.“
„Danke, Marc, ich wusste immer, dass ich mich auf dich verlassen kann.“
Sie plauderten noch ein paar belanglose Sätze über ihre Familien. Ein paar Minuten später verabschiedete sich Marc und ging aufgekratzt in den War Room zurück.
Er setzte sich an seinen Schreibtisch und starrte auf den Monitor. Das soeben geführte Gespräch mit Josef Huttinger ging ihm nicht aus dem Kopf. Der Fall hatte eine neue Dimension erreicht. Ich muss Strategien entwickeln, dachte Marc. Aber er schaffte es nicht, klare Gedanken zu fassen. Er war aufgewühlt, Gedankenfetzen blitzten durch sein Gehirn. Keine Überlegung konnte er zu Ende denken. Marc saß, äußerlich ruhig, in seinem Sessel und starrte weiter auf den Bildschirm. Jetzt hatte er – neben den Mordfällen – eine handfeste politische Intrige am Hals. Wäre ja zu schön gewesen, einmal in Ruhe arbeiten zu können, dachte er. Einen Augenblick lang überlegte er noch, ob er noch einmal in das Büro von Josef gehen und den ganzen Krempel hinschmeißen sollte. Er verspürte einen Anflug von Resignation. Und von Müdigkeit. Er hatte es so satt, den politischen Ränkespielen ausgesetzt zu sein. Ruhe wollte er. Nur in Ruhe arbeiten wollte er. Er schloss die Augen und atmete tief durch. Langsam verschwand die Müdigkeit, und mit jedem Atemzug wuchs seine Entschlossenheit, den Kampf aufzunehmen. Marc öffnete wieder die Augen. Er wusste, dass er seine weitere Vorgehensweise gut durchdenken musste. Nur keine voreiligen Schritte. Er beschloss, sein Team vorerst nicht zu informieren. Erst brauchte er einen Plan. Und um einen Plan zu entwickeln, brauchte er Zeit und Ruhe. Kurz entschlossen sprang er aus dem Sessel.
„Jetzt brauch ich einen Kaffee!“, rief er und marschierte in den Pausenraum. Er machte sich eine Tasse Kaffee und schlenderte damit zum Fenster. Kaum hatte Marc sich eine Zigarette angezündet, klingelte sein Handy. Er nahm es aus der Hosentasche und sah, dass Martin Schilling anrief.
„Hallo Martin, was gibt es?“, fragte Marc.
„Servus Marc, ich hab hier Probleme. Ich bin bei Walch Industries und stehe im Büro der Chefsekretärin. Vor einer halben Stunde hätte ich einen Termin mit Alois Walch gehabt, aber der sitzt in einer Vorstandssitzung und die dauert länger, als geplant. Die Sekretärin meint, die Tagesordnung sei in letzter Minute um fünf Punkte erweitert worden. Die Sitzung könnte noch gut zwei Stunden dauern. Was meinst du, wie ich mich verhalten soll?“
Augenblicklich kam in Marc wieder Ärger hoch.
„Was bildet sich der Typ ein?“, rief Marc, lauter als eigentlich gewollt. Er war empört über so viel Frechheit. „Glauben die Herrschaften, dass wir vom Verein zum Schutz des Dreitagebartes sind und um eine milde Wortspende betteln? Mach ihnen klar, dass er in fünf Minuten zur Verfügung stehen muss. Ansonsten gehst du rein und nimmst ihn mit ins BKA.“
„Alles klar, Marc“, sagte Martin knapp und unterbrach die Verbindung.
Marc war aufgebracht. Sie steckten mitten in einer Mordermittlung, und dieser Großindustrielle hatte den Nerv, seine Zeugenbefragung einfach zu verschieben. Da vereinbaren wir einen Termin, der dem Herrn genehm
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