Canard Saigon (German Edition)
sprach ihn Nicole Sandmann an.
„Chef, du schaust heute so finster aus wie die Araburg von der Wetterseite“, sagte sie mit einem aufgesetzten, unschuldigen Blick. „Ist jemand gestorben?“ Dabei klimperte sie mit übertriebenem Augenaufschlag und formte mit den Lippen einen Schmollmund. Ihre heiter vorgetragene Frage verfehlte nicht ihre Wirkung. Marc sah sie an und musste lächeln.
„So schlimm sehe ich aus?“
„Jetzt nicht mehr“, antwortete sie kokett. „Wenn du lächelst, bist du wieder der Mann, der mir in meinen Träumen erscheint.“
„In deinen Albträumen vielleicht“, sagte Marc schmunzelnd.
„Chef, du wirst mir unheimlich. Du kennst sogar meine Träume.“
Nicole hatte es geschafft. Marc fühlte sich sofort wohler. Mit dem kleinen Wortgeplänkel hatte sie ihn aus der Negativspirale seiner Emotionen geholt. Und er war ihr echt dankbar dafür.
Nachdem er die Sitzung formell eröffnet hatte, informierte er sein Team über die letzten Entwicklungen. Sein Gespräch mit Josef Huttinger erwähnte er allerdings nicht.
„Ich habe Neuigkeiten“, meldete sich Martin Schilling zu Wort. „Herr Walch unterbrach für mich eine Vorstandssitzung und beantwortete brav meine Fragen. Er gab an, am Dienstag um etwa 21 Uhr zu Bett gegangen zu sein. Er sagte, Herr Meisner wäre eine Stunde früher vor dem Fernseher eingeschlafen. Er selbst war auch ziemlich betrunken und hatte sich mit Dr. Klein unterhalten. Als er merkte, dass er immer wieder im Sitzen einnickte, schleppte er sich in sein Zimmer. Klein sah er nicht mehr.“
„Interessant“, sagte Marc. „Das heißt, das Alibi von Klein wackelt. Maricela Rodriguez ist kurz nach 22 Uhr auf dem Weg von der U-Bahn-Station zu ihrer Wohnung verschwunden. Er hätte also ausreichend Zeit gehabt, vom Fischteich nach Wien zu fahren. Mit welchen Fahrzeugen waren die Herren vor Ort?“
„Alois Walch war mit seinem Porsche unterwegs. Das Auto ist als Firmenwagen deklariert. Ich habe mit dem Werkmeister des Fuhrparks gesprochen. Bei allen Firmenwagen wird der Kilometerstand notiert, sobald sie am Werksgelände abgestellt werden. Außerdem werden Abfahrts- und Ankunftszeiten der Fahrzeuge erfasst. Der Porsche hat am Dienstag um 9.04 Uhr das Gelände verlassen und wurde am Mittwoch um 8.55 Uhr wieder am Werksgelände abgestellt. Die gefahrenen Kilometer entsprechen exakt der Strecke bis zum Fischteich und zurück. Herr Meisner war mit seinem Jeep am Teich, Klein fuhr seinen Jaguar.“
„Also gut, wo stehen wir?“, fragte Marc zwar laut, aber mehr zu sich selbst. „Nehmen wir an, Klein ist mit dem Jaguar gefahren. Er fährt in die Nähe von Maricelas Wohnung. Um sich zu vergewissern, dass sie auf dem Heimweg ist, ruft er sie an. Dann wartet er, bis sie vorbeikommt. Er spricht mit ihr, und sie steigt in den Wagen. Sie fahren an einen unbekannten Ort, wo er sie tötet. Zwei Tage später legt er die Leiche am Rastplatz ab. Hat er sie mit dem Jaguar transportiert?“
„Sehr unwahrscheinlich“, meldete sich Sandra Kessler zu Wort. „Wenn er vorhatte, Maricela zu töten, war der Jaguar zu auffällig. Bei der Vorgangsweise des Täters, so vorsichtig wie möglich zu agieren, hätte er das niemals riskiert. Er war ja früher häufig in ihrer Wohnung. Sein Auto hatte er bei diesen Besuchen vermutlich vor dem Haus geparkt. Daher musste er damit rechnen, dass der Wagen von einem Anwohner erkannt werden könnte.“
„Richtig Sandra, das sehe ich auch so“, sagte Marc nachdenklich.
„Vielleicht hat er den Wagen gewechselt“, warf Martin ein. „Er fährt in eine Garage oder sonst wo hin, wechselt in ein unauffälliges Gefährt, vielleicht einen Kastenwagen, und lauert ihr auf dem Heimweg auf. Dort bringt er sie dazu, mit oder ohne Gewaltanwendung, in den Wagen zu steigen. Er tötet sie, fährt zwei Tage später mit dem Kastenwagen auf den Rastplatz und entledigt sich der Leiche.“
„Mmh“, brummte Marc und nickte zustimmend. „So könnte es gewesen sein.“
„Verhaften wir den Drecksack!“, rief Martin.
„Gemach, gemach“, sagte Marc. „Wie sollen wir diese Theorie beweisen? Wo ist der Tatort? Wo ist dieser ominöse Kastenwagen oder was auch immer er als Fahrzeug benutzt hat? Jedenfalls ist weder auf ihn noch auf seine Frau ein derartiges Fahrzeug angemeldet.“
„Und ein gestohlenes Auto kommt meiner Ansicht nach nicht infrage“, sagte Sandra. „Das Risiko, bei einer normalen Verkehrskontrolle aufzufliegen, wäre viel zu hoch.“
„Johannes,
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