Canard Saigon (German Edition)
eingerichtet. Thomas Gridler und Johannes Schmied sondierten die per E-Mail eingehenden Hinweise.
Marc entschied sich, Christine eine elektronische Nachricht zu schreiben. Er wollte den Bluff mit dem Kastenwagen weiter verschärfen. In der heutigen Presseaussendung wollte er die Meldung lancieren, dass sich der Kreis um den Täter schließe. Und dass sie jetzt einen weißen Kastenwagen mit Hochdach suchten. Vielleicht wird der Täter doch nervös und macht Fehler, dachte Marc.
„Marc, ich habe eine erfreuliche Nachricht“, sagte Sandra Kessler, die eilig an seinen Schreibtisch gekommen war. „Frau Dr. Lessing hat den Fall wieder übernommen.“
„Super“, rief Marc erfreut. „Das nenne ich wirklich eine erfreuliche Nachricht. Warum ist das jetzt so schnell gegangen?“
Sandra lächelte, als sie sah, wie Marc sich freute.
„Ihre Mutter sollte operiert werden. Es stellte sich heraus, dass der Eingriff ambulant vorgenommen werden konnte und sie keiner besonderen Pflege bedarf.“
„Und wann wird uns die Frau Staatsanwältin mit ihrem Besuch beehren?“
„Sie hat sich bereits die Akten beschafft und ist dabei, ihre Kenntnisse auf den neuesten Stand zu bringen. Ihren Besuch hat sie für morgen Vormittag angekündigt. Ich wies sie auf die Beschlagnahme der Fahrzeuge der Familie Klein hin. Sie sagte mir zu, innerhalb einer Stunde Bescheid zu geben.“
„Sehr gut, endlich nimmt der Karren Fahrt auf. Sollte eine positive Entscheidung fallen, soll Nicole sich darum kümmern. Sie kennt die Familie schon.“ Sandra nickte und begab sich wieder an ihren Schreibtisch. Marc stand auf, ging in den Konferenzraum und vervollständigte die Notizen an der Pinnwand.
Wien, Mittwoch, 21. April 2010, 13.00 Uhr
Die Gruppe war vollständig und pünktlich zur Teamsitzung im Konferenzraum erschienen. Heftig gestikulierend diskutierten sie über die Art und Weise, wie in den Medien über den Fall berichtet wurde. Marc hörte einige Minuten zu, dann meldete er sich zu Wort.
„Kollegen, ich verstehe eure Aufregung. Ich versichere euch, dass ich mit der Zusammensetzung dieses Teams vollauf zufrieden bin. Ich lasse mir auch keinen von euch schlechtreden. Ihr kennt mich. Sollte von höherer Stelle eine Anweisung kommen, das Team zu verändern, lege ich die Leitungsfunktion sofort zurück und löse die Gruppe auf.“
„Also eine hausinterne Intrige“, stellte Sandra fest. „Ich hatte schon ein komisches Gefühl, als wir sämtliche Vollmachten erhielten.“
Marc war erstaunt, wie schnell Sandra kombinierte. Er sah sie an und wartete einen Moment, bevor er weitersprach.
„Dazu kann und will ich mich im Moment nicht äußern“, sagte er.
Schweigend sahen ihn seine Kollegen an. Marc hatte das Gefühl, dass alle begriffen hatten, woher der Wind wehte.
„Wenn du Hilfe brauchst, wir stehen dir gerne zur Verfügung“, sagte Martin Schilling, worauf alle Kollegen nickten. Sie alle kannten Marc und wussten, dass er bei hausinternen Machtkämpfen niemals klein beigab.
„Ich danke euch für euer Vertrauen“, sagte er lächelnd. „Sollte es notwendig sein, werde ich euer Angebot gerne annehmen.“ Damit war dieses Thema vom Tisch.
Marc eröffnete die Sitzung offiziell und brachte alle auf den letzten Stand der Ermittlungen. Der Obduktionsbericht von Fayola Jakunde ergab nur insofern eine Abweichung vom Mord an Maricela Rodriguez, als dass mit höchster Wahrscheinlichkeit eine gewaltsame Penetrierung des Afters stattgefunden hatte. Die Laboruntersuchungen ergaben ebenfalls keine neuen Hinweise, die Ergebnisse der DNA-Analyse würden frühestens am Donnerstag vorliegen. Nachdem Marc seinen Bericht abgeschlossen hatte, bat er die Kollegen um Wortmeldungen.
„Ich habe heute einen meiner Verbindungsmänner zur rechtsradikalen Szene getroffen“, berichtete Simon Hoffer. „Er erzählte mir, dass Konrad Schliemann in Wien lebt und untergetaucht ist. Er nennt sich jetzt Horst Fiala, nach dem Mädchennamen seiner Mutter, und wohnt bei einem alten Nazifreund. Da er wegen früherer Straftaten gesucht wird, kann er keiner regelmäßigen Arbeit nachgehen. Er verfasst zwar nach wie vor Hetzpamphlete, aber die finden kaum Verbreitung. Schliemann wird von den meisten rechtsextremen Gruppen geächtet. Als Täter kommt er nicht infrage, da er an einer schweren Krankheit leidet. Wegen einer Muskeldystrophie hinkt er stark und sitzt die meiste Zeit im Rollstuhl. Diese Krankheit ist auch der Grund, warum er von den Kameraden gemieden
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