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Canard Saigon (German Edition)

Canard Saigon (German Edition)

Titel: Canard Saigon (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Friesenhahn
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wird.“
    „Es ist schon eigenartig, wie das Schicksal manchmal so spielt“, sagte Sandra Kessler. „Da ereifert sich so ein Narr ein Leben lang über unreines Blut, Rassenhygiene und Volksgesundheit. Und dann wird er durch eine Erbkrankheit – nach seinen Begriffen – selbst zu unwertem Leben.“
    Simon nickte. „Du wirst es nicht glauben, Sandra, aber in der rechtsextremen Szene ist er kein Einzelfall. Das ist ein Sammelbecken für physisch und noch mehr psychisch defekte Typen. Menschen, die am Rand der Gesellschaft leben, fühlen sich in faschistischen Gruppen geborgen. Sie haben klar definierte Feindbilder und schöpfen Hoffnung, auch einmal zu Macht und Ansehen zu gelangen. Und clevere politische Agitatoren nutzen das seelische Elend dieser Menschen zu ihrem Vorteil. Jedenfalls weiß ich jetzt, wo Konrad Schliemann wohnt. Ich werde ihn noch heute besuchen und mich von der Richtigkeit der Informationen überzeugen.“
    Marc dankte Simon und erteilte Nicole Sandmann das Wort.
    „Ich war heute im Maria-Theresia-Spital und befragte die Frühschicht. Das Personal verhielt sich wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen. Der Zeitungsartikel über einen Arzt, der ein Verhältnis zu Maricela Rodriguez hatte, schlug heftige Wellen. Überall wurde gemunkelt und getuschelt. Neue Erkenntnisse konnte ich leider nicht gewinnen. Als mich Sandra anrief, dass die neue Staatsanwältin die Beschlagnahme der Fahrzeuge von Familie Klein erwirkt hatte, raste ich sofort zu deren Villa. Da Klein heute dienstfrei hat, waren sowohl er als auch seine Frau zu Hause. Ich sage euch, die Stimmung war nur halb so lustig wie am Zentralfriedhof. Der Zeitungsartikel dürfte wie eine Bombe eingeschlagen haben. Der Doktor schlich einsilbig umher, wie ein begossener Pudel. Seine Frau starrte mit eisigem Blick vor sich hin und würdigte ihn keines Blickes. In dieser Stimmung nahmen sie sogar die Beschlagnahme ihrer Fahrzeuge gleichmütig zur Kenntnis. Die Autos befinden sich im Moment in unserer Garage und werden von den Beamten des Erkennungsdienstes durchsucht. Erste Ergebnisse dürften heute Abend, die Auswertung der DNA-Spuren am Freitag vorliegen.“
    „Alles klar“, sagte Marc. Er hatte das Gefühl, dass Bewegung in den Fall kam, obwohl sie, objektiv gesehen, kaum konkrete Anhaltspunkte hatten. Er beauftragte Paul Valek, sich in der Prostituiertenszene umzuhören. Die anderen Ermittler vergatterte er, die Zeugen, die sich heute gemeldet hatten, zu befragen. Er selbst nahm sich ebenfalls eine Liste mit Adressen und schloss die Sitzung.

Wien, Mittwoch, 21. April 2010, 17.30 Uhr
    Marc Vanhagen stieg in seinen Passat. Er war ein wenig frustriert, denn die Zeugenbefragungen hatten keinen verwertbaren Hinweis ergeben. Jetzt wollte er nach Hause fahren, gut essen und mit Freddy einen netten Abend verbringen. Bevor er startete, fiel sein Blick auf die Zeugenliste, die auf dem Beifahrersitz lag. Er nahm sie zur Hand und überflog die Adressen. Einer wohnte in der Wassergasse. Die lag auf seinem Weg. Er las die Kurznotiz neben der Adresse: „81-jähriger Mann – sagt, er ist schuld an den Morden.“ Marc schüttelte den Kopf. Unglaublich, welche Leute sich jedes Mal nach Mordfällen als Täter meldeten. Er entschied, dass er diesen Zeugen auch ein anderes Mal befragen konnte. Marc startete den Wagen und fuhr los. Er dachte an seine Familie und freute sich auf ein paar Stunden Freizeit. Als er Richtung Südosttangente fuhr, fiel ihm der alte Mann wieder ein. Spontan entschied er, ihn doch zu besuchen. Die Befragung würde nur ein paar Minuten dauern, dann wäre, der Vollständigkeit halber, wieder ein Zeuge abgehakt.
    Marc bog in die Wassergasse ein und fand einen Parkplatz direkt vor dem Haus. Im ersten Stock läutete er an der Tür mit der Nummer 14.
    Als sich die Tür öffnete, stand ihm ein älterer Herr mit glatt rasiertem Gesicht und nach hinten gekämmten weißen Haaren gegenüber. Er war so groß wie Marc selbst und wirkte für sein Alter sehr rüstig. Er erinnerte Marc an jemanden, aber ihm fiel nicht ein, an wen.
    „Herr Charles Wegner?“, fragte Marc.
    „Ja“, bestätigte der alte Mann und sah ihn fragend an.
    „Mein Name ist Marc Vanhagen, Leiter der Sondereinheit des Bundeskriminalamts. Sie haben bei uns vorgesprochen.“
    „Ah, freut mich, dass Sie einen alten Herrn ernst nehmen. Bitte kommen Sie herein.“ Die Art, wie er sprach und dabei seine Worte mit einer leichten Kopfbewegung nach rechts betonte, kam Marc bekannt

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