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Candy

Candy

Titel: Candy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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Ordnung war, und beide Male hatte sie geschlafen. Beim ersten Mal, als ich reinkam, lag sie zusammengerollt wie ein Baby oben auf dem Federbett. Ich überlegte, ob ich sie mit einer Decke oder sonst was zudecken sollte, doch sie schien okay und ich wollte sie nicht wach machen, also ließ ich sie so, wie sie war. Eine Stunde später, als ich wieder nach ihr sah, hatte sie sich die Bettdecke bis über den Kopf gezogen. Ich blieb eine Weile da, nur um sicher zu sein, dass sie atmete, dann ging ich auf Zehenspitzen hinaus und ließ sie schlafen.
    Jetzt wartete ich nur.
    Brachte die Zeit rum. Starrte die Bilder berühmter Menschen an, leerte meinen Kopf, hörte auf den Wind draußen in den Bäumen, hörte, wie er zunahm, hörte ihn heulen, hörte ihn in den Kamin hinabfauchen und an den Fenstern rütteln.
    Er klang wütend.
    Ich fragte mich, wohin er verschwand, wenn er sich legte.
     
    Halb neun: Candy kam aus dem Schlafzimmer und schlurfte |318| schweigend ins Bad. Sie war noch angezogen, aber barfuß. Ich war froh, sie schlurfen zu sehen. Es bedeutete, dass sie keine Eile hatte, keine Eile haben bedeutete keine Drogen. Nach ein paar Minuten ging die Badezimmertür wieder auf, Candy kam rüber zum Sofa und stellte sich neben mich. Sie sah müde und abgespannt aus. Ihre Augen waren schläfrig, ihr Gesicht blass, aber ich war ziemlich sicher, dass sie nichts genommen hatte. Sie wirkte einfach erschöpft.
    »Wie geht’s?«, fragte ich sie.
    »Nicht besonders«, antwortete sie. »Mir ist kalt   … mich fröstelt.« Sie legte die Arme um sich und kratzte an ihnen. »Es juckt.«
    »Brauchst du irgendwas?«
    »Was denkst
du
denn?«, sagte sie unglücklich.
    »Entschuldigung   … ich meinte, ob du was zu trinken willst oder so.«
    »Hast du Wodka?«
    »Äh   … nein   … nur Tee und Kaffee. Ich könnte auch Kakao machen.«
    »Keinen Alkohol?«
    »Nein   … tut mir Leid.«
    Sie schniefte heftig und blinzelte mit den Augen. »Und was ist mit einem Fernseher?«
    »Ja, irgendwo steht noch ein tragbares Schwarzweißgerät rum. Soll ich’s dir im Schlafzimmer anschließen?«
    »Ja, ich glaube   …« Sie sah mich an. »Entschuldige   … ich fühl mich scheiße. Ich nehm ein paar Aspirin und dann leg ich mich wieder ins Bett.«
    »Ich stell dir den Fernseher rein – willst du deine Zeitschriften?«
    |319| Sie antwortete nicht, zuckte nur mit den Schultern und starrte zu Boden. Ihre Hand lag auf der Rückenlehne des Sofas. Ich drückte sie leicht, aber sie reagierte nicht. Ihre Haut fühlte sich kalt an und feucht.
    »Komm«, sagte ich. »Geh wieder ins Bett.«
    Sie hob den Blick vom Fußboden, nickte mir ausdruckslos zu, dann ging sie zurück ins Schlafzimmer.
     
    Halb elf: Ich war müde, gelangweilt und einsam. Ich wollte etwas tun, wusste aber nicht, was. Ich erinnerte mich, dass ein paar alte Bücher herumstanden, ich hatte Dads Schachspiel gesehen und ich war ziemlich sicher, dass es auch irgendwo ein verstaubtes altes Radio geben musste   … aber nichts davon reizte mich. Ich wollte nicht lesen. Ich wollte nicht Schach spielen. Ich wollte nicht Radio hören.
    Ich warf einen Blick auf die Schlafzimmertür. Das Licht des Fernsehers flackerte in der Dunkelheit und ich hörte den Ton eines Spätfilms leise durch die Luft schweben. Ich horchte ganz fest und versuchte zu raten, was es sein mochte, aber er lief zu leise dafür.
    Warum legst du dich nicht zu ihr da drinnen?,
fragte ich mich.
Sie wird nichts dagegen haben. Ihr müsst ja nicht reden oder so, sondern könnt einfach nur dasitzen und schweigend den Film anschauen   …
    Ich stand auf und ging hinüber zum Fenster.
    Draußen toste die Nacht immer noch. Regenböen pfefferten gegen die Scheibe wie ganze Schauer boshafter Nadeln und der Wind wütete in den Bäumen, entblätterte die Zweige und wirbelte das tote Laub in die Luft. Doch die Bäume wirkten nicht weiter erschüttert. |320| Sie hatten das alles schon erlebt.
    Ich schloss den Vorhang und ging zurück zum Sofa.
    Wahrscheinlich schläft sie
, überlegte ich.
Die Lautstärke, auf die sie den Fernseher gestellt hat – das ist doch eine zum Schlafen. Eine Lautstärke, die signalisiert: Stör mich nicht, lass mich allein.
    Ich legte mich aufs Sofa, schloss die Augen und lauschte dem Wind.
     
    Viertel vor elf: Ich war halb eingeschlafen, als ich hörte, wie Candy meinen Namen rief. Ich hatte vor mich hin geträumt, mir eingebildet, ich sei in meinem eigenen Zimmer, säße auf dem Bett und spielte

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