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Candy

Candy

Titel: Candy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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kleine Bewegungen machte und nach unentdeckten Worten suchte.
Wieso tust du das?
, fragte ich mich selbst, aber mir war klar, dass ich es nicht wusste. Es war eine Frage voller Fragen. |313| Wieso tut man überhaupt irgendwas? Wieso mag man Musik? Wieso nimmt man Drogen? Wieso hasst man sich? Wieso stirbt man? Wieso verliebt man sich?
    Ich wusste keine einzige Antwort. Ich hatte keine Ahnung, warum ich irgendwas tat. Ich tat es einfach.
    »Seltsam, das alles, oder?«, sagte Candy.
    »Was?«
    »Alles   … ich weiß nicht – du und ich   … wie Dinge passieren   … solche Sachen eben   …« Sie rieb sich die Schläfen und seufzte. »Entschuldigung   … ich weiß nicht mehr, was ich rede. Ich fang an zu schwafeln. Vielleicht leg ich mich besser ein bisschen hin.«
    »Wie fühlst du dich jetzt?«
    »Nicht so schlecht   …« Sie senkte den Kopf und knibbelte nervös an den Fingernägeln. »Kann sein, dass ich ein bisschen komisch werde«, sagte sie ängstlich. »Weißt du, wenn es losgeht   … dann sag ich vielleicht Dinge, die ich nicht so meine, Dinge, die nicht sehr nett sind.« Sie hob den Kopf und sah mich an. »Das bin dann nicht ich, Joe.«
    »Ich weiß – ist schon gut.«
    »Und hab keine Angst, hart zu mir zu sein. Gib nicht nach, okay? Was immer ich sage, was immer ich von dir verlange   –«
    »Sag einfach Nein?«
    »Ja«, sagte sie und lächelte. »So was in der Art.«
    »Ich tu mein Bestes.«
    Sie sah mich einen Augenblick an und ich dachte, sie würde noch etwas sagen, aber dann verschwand ihr Lächeln und ohne ein weiteres Wort stand sie auf.
    »Brauchst du irgendwas?«, fragte ich sie.
    »Nein, danke. Ich leg mich nur eine Weile ins Schlafzimmer   … |314| die Tür lass ich offen.«
    »Okay.«
    Sie ging.
    »Bevor du verschwindest«, rief ich ihr hinterher. »Kann ich dich noch was fragen?«
    »Was denn?«
    »Dein Name   …«
    Sie runzelte die Stirn.
»Mein Name?«
    »Ja   … ich hab immer wieder drüber nachgedacht, seit wir uns kennen.«
    »Worüber nachgedacht?«
    »Ob Candy dein richtiger Name ist.«
    Sie antwortete nicht sofort, sondern sah mich nur komisch an. Einen Moment dachte ich, sie wär sauer auf mich, aber dann fingen zu meiner Erleichterung ihre Augen in plötzlichem Verständnis an zu leuchten. »Oh, jetzt kapier ich«, sagte sie. »Du dachtest,
Candy
könnte eventuell ein erfundener Name sein?«
    »Ja, vielleicht   …«
    Sie lachte leise. »Nein   … das war etwas, was ich nicht ändern musste. Candy ist mein richtiger Name – na ja, eigentlich Candice.«
    »Candice?«
    Sie nickte. »Angeblich bedeutet Candice
rein und tugendhaft
.
    »Ehrlich?«
    »Ja.« Sie lächelte. »Was ist? Findest du das lustig?«
    »Nein«, sagte ich grinsend. »Überhaupt nicht.«
    Sie stand da, lächelte mich eine Sekunde an und riss ein Loch in mein Herz, dann drehte sie sich mit einer Hand winkend um und ging ins Schlafzimmer.
     
    |315| Es würde lange dauern, bis sie wieder so lachte.

|316| 19.   Kapitel
    E s ist hart, den Rest der Geschichte noch einmal zu durchleben. Ich weiß, was geschah – ich erinnere jeden Moment. Von den ersten sorgenvollen Stunden jenes kalten Samstagabends und den endlosen Tagen, die folgten, bis zur Totenstille der allerletzten Sekunde, als alles zu einem Ende kam   …
    Ich erinnere alles: jedes Wort, jeden Atemzug, jedes Ticken der Uhr   … alles, was geschah, bleibt mir für immer.
    Ich kann es
nie
vergessen.
    Aber das heißt nicht, dass ich es noch einmal
leben
kann. Man kann nicht leben, was vorbei ist, man kann es nur erinnern und Erinnerungen haben kein Leben. Sie sind nur verblichene Abbilder einer Zeit, die vorbei ist – wie verblasste Fotos oder eine getrocknete Gänseblümchenkette hinten in einer Schublade. Sie haben keine Substanz. Sie bringen dich nicht zurück. Nichts bringt dich zurück.
    Nichts ist mehr genauso wie früher.
    Nichts
ist
.
     
    Das Einzige, was ich tun kann, ist, es zu erzählen.
     
    |317| Samstagabend, acht Uhr: Ich hatte mich mit Holzscheiten eingedeckt und den Kamin in Gang gesetzt, jetzt saß ich auf dem Sofa, mampfte Kekse und blätterte Candys dämliche Zeitschriften durch. Sie waren nicht sonderlich interessant – bloß jede Menge Fotos von schwitzenden Stars, Stars in schlecht sitzenden Kleidern, betrunkenen Stars   … solche Sachen   –, aber sie halfen, die Zeit rumzukriegen.
    Candy war noch immer im Schlafzimmer. Ich hatte zwischendurch mal reingeschaut, um sicher zu sein, dass mit ihr alles in

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