Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Candy

Candy

Titel: Candy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
Vom Netzwerk:
Gitarre   … verloren in der Zeit, verloren in der Musik, verloren in einer anderen Welt   … und einen Augenblick dachte ich, es wäre Ginas Stimme. Aber dann hörte ich sie wieder, deutlicher diesmal, und ich stand auf und ging Richtung Schlafzimmer.
    »Joe   …«, rief Candy wieder. »Joe? Wo
bist
du?«
    »Tut mir Leid«, sagte ich, als ich eilig zur Tür hereinkam, »ich hab dich nicht gehört. Was ist? Alles in Ordnung mit dir?«
    Sie lag zusammengerollt im Bett unter einem verknoteten Laken. Ihr Körper war schweißnass. Der tragbare Fernseher stand wackelig neben ihr auf der Matratze, sein kaltes weißes Licht flackerte leise über ihr Gesicht, das aufgedunsen und geschwollen wirkte.
    »Ich kann nicht schlafen«, sagte sie. »Mir ist zu heiß   … Wie spät ist es?«
    »Kurz vor elf.«
    »Scheiße   … Wann hört dieser Wind endlich auf?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Ich hasse ihn – er ist so laut. Ich kann nicht schlafen.«
    |321| Sie ächzte und rollte sich auf die Seite. Das Laken löste sich und ich sah, dass sie ihr Nachthemd angezogen hatte. Es war feucht vor Schweiß und an den Beinen hochgeschoben.
    »Kann ich dir irgendwas bringen?«, fragte ich sie.
    Sie stöhnte in ihr Kissen.
    Ich sagte: »Willst du Wasser? Vielleicht wird dir ein bisschen kühler davon.«
    »Will schlafen«, murmelte sie. »Ich will nur schlafen   …«
    Ich kam mir ziemlich überflüssig vor, wie ich da in der Tür stand und nicht wusste, was tun. Ich wollte ihr helfen, dass es ihr besser ging, aber ich wusste nicht, wie, und ich wusste auch nicht, wie ich mit meiner Unwissenheit umgehen sollte.
Was soll ich tun? Soll ich noch was sagen? Soll ich warten, ob Candy etwas sagt? Soll ich dableiben   … oder soll ich gehen?
    Nachdem ich eine Weile drüber nachgedacht hatte, verließ ich das Schlafzimmer und ging zurück in den Wohnraum. Ich sah nach dem Feuer, guckte, ob das Haus abgeschlossen war, dann schnappte ich mir alle Kissen vom Sofa, nahm ein paar Decken aus dem Wandschrank und ging wieder zurück ins Schlafzimmer. Candy hatte ihren Kopf unter dem Kissen vergraben und stöhnte leise. Sie strampelte immer noch mit den Füßen und versuchte, das verknotete Laken auseinander zu ziehen, doch dadurch machte sie es nur noch schlimmer.
    Als ich die Kissen neben der offenen Tür auf den Boden legte, bemühte ich mich, kein Geräusch zu machen. Es ging mir nicht darum, meine Anwesenheit zu
verbergen
, ich wollte sie nur nicht groß ankündigen. Ich setzte mich hin und zog die Schuhe aus, dann legte ich mich auf die Kissen, zog die Decken hoch und versuchte, es mir bequem zu machen. Es dauerte eine Weile, aber |322| schließlich fand ich die richtige Lage, in der die Kissen nicht drückten und mir nicht kalt war, ich aber immer noch vernünftig das Bett sehen konnte.
    Es war zum Aushalten.
    Ich konnte Candy sehen.
    Ich konnte den Wind in den Bäumen hören.
    Ich konnte die Augen schließen und spüren, wie die Unruhe der Nacht durch mein Rückgrat rauschte. Ich konnte das Geräusch meines Herzens hören, das Geräusch meines Bluts, das Geräusch der Maschine in meinem Brustkorb. Ich konnte die Augen aufschlagen und die Fernsehlichter anstarren, die stroboskopisch über die Zimmerdecke flackerten, und mir die Blitze eines von Unwettern erhellten Himmels vorstellen. Oder ich konnte einfach nur daliegen, vollkommen still, und absolut nichts tun.
     
    Die Nacht vergeht langsam, wenn du wach bist. Ich glaube, ich nickte ein-, zweimal ein, aber die meiste Zeit lag ich nur da und horchte auf Candy, wie sie sich im Bett hin und her wälzte, wimmerte und weinte. Sie konnte keine Sekunde still liegen. Entweder war ihr zu heiß oder zu kalt. Sie schwitzte   … dann zitterte sie vor Kälte. Schwitzte   … zitterte. Schlang die Arme um sich. Schlug auf das Kissen ein. Fluchte   … verwünschte sich   … rief   … schrie   … spuckte   … hustete   … schniefte   … schluchzte   …
    Litt.
    Es war nicht schön.
    Irgendwann am frühen Morgen, gegen vier Uhr, stöhnte sie, setzte sich hoch und stand langsam auf. Jede kleine Bewegung schien die Schmerzen zu steigern. Ihre Haare waren völlig verknotet und ihr Gesicht um Jahre gealtert – sie sah aus wie eine |323| wirre alte Frau. Als sie sich aus dem Bett wälzte, zur Tür stakste und sich den Bauch festhielt, hörte ich sie leise vor sich hin murmeln.
    »Scheiße   … verdammt   … Scheiße   …«
    »Kann ich dir helfen?«, fragte ich leise.
    »Hä?«, stöhnte

Weitere Kostenlose Bücher