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Candy

Candy

Titel: Candy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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sie sich hinsetzte.
    »Ja   … danke.« Sie schnippte sich irgendwelchen imaginären Staub von der Jeans. »Weißt du«, sagte sie, »ich hatte nicht vor   –«
    »Was ist das in der Tüte?«, fragte ich.
    »Wie bitte?«
    Ich zeigte auf die Tragetasche auf dem Tisch. »Der ganze Kram, den du an der Tankstelle gekauft hast. Wozu ist der gut?«
    Ich glaube, sie wusste, dass ich absichtlich das Thema wechselte, und ich glaube, wir wussten beide, dass es das Beste war. So, wie die Dinge lagen, war es schon schwierig genug – noch mehr Probleme brauchten wir nicht. Außerdem war es eine meiner leichtesten Übungen, über so etwas nicht zu sprechen.
    »Du meinst die Schokolade und so?«, fragte sie.
    »Ja – und alles andere.«
    »Ich versuche nur praktisch zu sein«, erklärte sie. »Ich weiß, wie das ist, wenn man auf Entzug geht – ich hab das schon mal mitgemacht. Nicht wie jetzt   … ich meine, ich hab’s noch nie freiwillig gemacht und es war auch nie sehr lange, aber ich weiß, wie man sich fühlt. Manchmal hat Iggy mir keinen Stoff gegeben   … wenn ich gesagt hab, dass ich irgendwas nicht machen will, oder wenn er eine Stinkwut auf mich hatte   … dann gab er mir kein Heroin. Er hat mich einfach in mein Zimmer eingesperrt und mich schmoren lassen, bis ich die Wände hochgegangen bin.« Sie starrte traurig ins Feuer. »Am Ende hat er immer gekriegt, was er wollte.«
    »Konntest du nirgendwo anders Stoff kriegen?«, fragte ich.
    »Ich hab mir das ein paar Mal überlegt«, sagte sie, »aber es hätte nicht funktioniert. Iggy kennt jeden. Er hätte es rausgefunden. Er wär dem Typen an die Gurgel gegangen, der mir was verkauft |311| hätte, und danach hätte er mich umgebracht.«
    Noch vor ein paar Tagen wäre ich wahrscheinlich überzeugt gewesen, dass sie übertrieb. Aber jetzt wusste ich, wozu Iggy fähig war – ich spürte noch immer, wie mir das Rasiermesser in die Kehle schnitt   –, und ich wusste, sie sagte die Wahrheit.
    »Jedenfalls weiß ich auf die Art«, fuhr sie fort, »wie es sein wird.« Sie lächelte mich an. »Ich werd jede Menge Zuckerzeug vertilgen und ich werd krank sein und schwitzen, mich beschissen fühlen und durchdrehen. Um ehrlich zu sein, ich spür schon so langsam, wie’s losgeht.«
    »Ehrlich?«
    »Nur ein bisschen«, sagte sie schulterzuckend. »Ist wahrscheinlich nur die Angst vor dem, was kommt. Einmal rauchen reicht bei mir normalerweise zwei bis drei Stunden   …«
    »Macht es einen Unterschied, wenn man es raucht?«, fragte ich. »Ich meine, macht es weniger abhängig, als wenn man spritzt?«
    »Das dachte ich zuerst, als ich anfing – viele Leute glauben das. Aber es stimmt nicht. Heroin rauchen ist nur eine andere Art, den Stoff in dein Hirn zu kriegen. Manche Leute glauben, dass sie ein Schuss higher macht   …« Sie hielt inne und schüttelte den Kopf. »Gott, wie hört sich denn das an? Ich klinge wie ein Junkie. Ich
hasse
es, über Drogen zu reden. Es klingt so beschissen
großmäulig

    »Großmäulig?«
    »Ja«, sagte sie lächelnd. »Alle Dealer und Junkies schwafeln pausenlos über ihren Stoff, wie er wirkt und weiß der Himmel was   … das ist alles so langweilig. Genau wie einem Haufen Computerfreaks zuzuhören.«
    »
So
schlimm?«
    |312| »Ja«, sagte sie grinsend, »nur dass
diese
Freaks alle kaputt im Kopf sind und ein paar von ihnen sogar mit geladener Waffe rumlaufen.«
    Ich nickte und versuchte mir vorzustellen, wie es wohl war, in dieser unbekannten Welt der Drogen und Waffen und Gewalt zu leben, doch es gelang mir immer noch nicht. Ich kam nicht mal nahe ran. Ich konnte diese Welt hinnehmen. Ich wusste, dass sie existierte, und ich war auch drauf und dran, einiges darüber zu begreifen – aber die Vorstellung, in ihr zu
leben
…? Das war zu viel für meine Fantasie.
    »Woran denkst du?«, fragte mich Candy.
    Ich sah sie an. »An nichts   … ich hab nur   …«
    »Gedacht?«
    »Ja.«
    Sie schaute wieder ins Feuer, nagte an ihren Lippen und starrte tief in Gedanken vor sich hin. Nach einer Weile fragte sie: »Wieso tust du das, Joe?«
    »Wieso tu ich was?«
    »Mir helfen   … mich suchen, mich hierher bringen   …« Sie sah mich an. »Wieso tust du das?«
    »Wieso?«, fragte ich und wusste nicht weiter.
    »Ja   … wieso?«
    »Ich weiß nicht   …«, stammelte ich. »Ich hab nur   … ich weiß nicht   … Muss es denn einen Grund geben?«
    »Ich glaub schon.«
    Als sie mich weiter ansah, spürte ich, wie mein Mund sinnlose

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