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Candy

Candy

Titel: Candy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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Skateboard-Kumpels, und ihr seid ständig von euren Boards gefallen.«
    »Woher weißt
du
das?«
    »Ich war da.«
    »Wo?«
    »Auf der Anlage.«
    »Das kapier ich nicht. Was hast du da gemacht?«
    »Bin rumgeschlichen und hab Zigaretten geschnorrt, so was in der Art.« Sie lachte. »Kein großes Geheimnis dahinter oder so. Ich hab früher in Heystone gewohnt, das ist alles. Bin in St. Mary’s zur Schule gegangen.«
    »In der Klosterschule?«
    »Ja, aber da war ich nicht lange   …«
    Ich sah sie an und versuchte mir auszumalen, wie sie in einer St.-Mary’s-Schuluniform aussah – dem langen blauen Kleid und dem albernen kleinen Hut, den kurzen weißen Socken   –, doch ich schaffte es nicht.
    »In welcher Gegend von Heystone hast du gewohnt?«
    »Otley«, sagte sie.
    Ich nickte. Otley ist der Nobelteil der Stadt – der noch noblere, um genau zu sein. Heystone ist sowieso nicht arm, es gibt nur verschiedene Grade von Reichtum und Otley ist so reich, wie eine Gegend nur sein kann.
    »Überrascht?«, fragte Candy.
    »Hm, na ja   … ich meine, nicht wegen Otley   … sondern überhaupt, |97| wegen allem. Verstehst du, wegen des Zufalls.«
    »Was für ein Zufall?«
    »Wir   … du und ich   … dass wir beide aus Heystone kommen   …«
    »Du glaubst, das ist Zufall?«
    »Na ja   …«
    Sie schüttelte den Kopf. »Was meinst du, warum ich am Bahnhof hinter dir hergerufen hab?«
    »Warum?«
    »Tja. Glaubst du, ich tu das ständig – auf der Straße jedem x-beliebigen Fremden hinterherrufen?«
    »Also, nein   … ich denke, nicht   …«
    »Ich hab dich
erkannt
. Ich hab dir doch gerade gesagt, dass ich   … dich von der Anlage wiedererkannt hab.« Sie neigte ihren Kopf zur Seite und sah mich an. »Du hast dich nicht viel verändert, verstehst du. Nicht dass es
so
lange her ist – nur ein paar Jahre.«
    »Du hast mich wiedererkannt?«
    »Ja.«
    Ich wusste nicht, wie ich das fand. In gewisser Weise war es schon ziemlich schön. Schön, wiedererkannt zu werden. Schön zu wissen, dass sie sich an mich erinnert hatte. Schön zu glauben, dass es irgendwas an mir geben musste, was sich anderen einprägte. Aber ich wusste nicht recht, ob ich so sein wollte. Ich war mir nicht sicher, ob ich
wiedererkannt
und
erinnert
sein wollte.
    »Isst du das noch?«, fragte Candy und nickte in die Richtung meines Brotes.
    »Nimm’s dir«, sagte ich zu ihr.
    Während sie das Brot zusammenklappte und das Eigelb vom |98| Teller aufwischte, schaute ich durch das Fenster des Cafés. Die Terrasse draußen war verlassen. Ich sah die Wege des Zoos, die sich durch eine Landschaft aus Bäumen und Felsen und künstlichen Tierwelten wanden. In der Ferne standen von Menschen erbaute Berge, so bleich und grau wie angemaltes Pappmaché, und ich fragte mich, ob die Tiere wussten, dass die Berge nicht echt waren, und wenn ja, ob es ihnen was ausmachte.
    »Warum musst du über alles so viel nachdenken?«, fragte Candy durch einen Mund voll Eibrot hindurch.
    Ich schüttelte den Kopf. Ich hatte nicht irritiert wirken wollen, aber Candys Reaktion zeigte, dass ich offenbar doch so aussah.
    »Ich hab ja nur
gefragt
«, sagte sie eingeschnappt. »Ist mir egal, was du tust.«
    »Tut mir Leid«, sagte ich. »Ich hab bloß nachgedacht, das ist alles.«
    Sie zündete sich eine Zigarette an und atmete ihre Verwirrung in einer Rauchfahne aus. »Nachgedacht worüber?«
    »Über dich.«
    Es war draußen, ehe ich wusste, was ich da sagte, und ich glaube, es schockierte sie ein bisschen. Ich weiß, dass es mich schockierte. Eine Weile sagte sie nichts, sondern sah mich nur an, dann begann sie den Tisch aufzuräumen und Teller und Besteck auf dem Tablett zu stapeln. Als sie fertig war, lehnte sie sich zurück, tätschelte ihren Bauch und rülpste zufrieden wie ein alter Mann nach dem Abendessen in seinem Club. Dann nahm sie einen weiteren tiefen Zug von ihrer Zigarette und sah mich wieder an.
    »Du hast noch Ei am Mund«, sagte ich ihr.
    »Wo?«
    |99| Ich deutete auf den Mundwinkel.
    Sie berührte die andere Seite ihres Mundes. »Hier?«
    »Nein   … andere Seite.«
    »Zeig’s mir«, sagte sie, leckte an der Ecke einer Papierserviette und reichte sie mir. Ich zögerte einen Moment, dann reckte ich mich hinüber und berührte mit der Serviette ihren Mund. Unbeabsichtigt streifte ich dabei mit dem Handrücken ihre Wange   … Ihre Haut war zart und weich. Die Gesichtsknochen fühlten sich klein und fremdartig an.
    »Danke«, sagte sie und leckte ihre

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