Candy
Lauten der Großstadt vermischten, das erinnerte mich an längst vergessene Familienausflüge, als ich noch ein Kind war, als Gina meine Hand hielt und mich im Zoo herumführte, auf die Tiere deutete und mir erklärte, was es für welche waren, während Mum und Dad hinter uns herspazierten, Arm in Arm, verloren in ihrer eigenen kleinen Welt …
»Joe!«
Ich sah auf, dem Klang von Candys Stimme entgegen, und stellte fest, dass ich mich schon dem Haupteingang des Zoos näherte. Es liefen eine ganze Menge Leute herum – Touristen, Schulkinder, Busreisende –, aber Candy sah ich nirgends. Ich schaute mich um, suchte den Eingangsbereich ab, reckte den Hals, um durch die Massen zu schauen, dann hörte ich wieder ihre Stimme – »Hier … ich bin hier drüben …« – und wandte mich nach links, |88| doch ich sah sie immer noch nicht. Ich sah nur ein hübsches junges Mädchen in Jeans und einem türkisfarbenen Pulli, das an der Wand lehnte und jemandem hinter mir zuwinkte. Ich schaute mich um, um festzustellen, wem sie winkte, und erwartete, ihre Familie zu sehen, ihre Mum und ihren Dad oder vielleicht ihre Schulfreundin … und dann schnitt Candys Stimme noch einmal durch die Luft.
»Joe … verdammt noch mal. Was machst du?
Ich
bin’s.«
Als ich mich wieder umdrehte, kam das Mädchen im türkisfarbenen Pulli auf mich zu, lächelte dieses Lächeln und ich konnte nicht glauben, dass ich sie für jemand anderen gehalten hatte. Sie war ganz und gar Candy – das Gesicht, das Lächeln, der Gang, der Körper … all die Blicke der Leute um sie herum.
»Was machst du denn?«, sagte sie, als sie auf mich zukam. »Versuchst du mir auszuweichen oder was?«
»Entschuldigung«, sagte ich, »ich hab dich nicht erkannt. Du siehst anders aus.«
Sie blieb vor mir stehen, baute sich auf – Kinn vorgereckt, Kopf zurück, Hände in die Gesäßtaschen. »Gefällt’s dir?«
Die Jeans waren eng, der Pulli auch – eng und kurz, er zog meinen Blick auf ihre Taille, genau wie beim ersten Mal. Ihre Haare waren mit Spangen und kleinen Haarklemmen zurückgesteckt und hinten zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Obwohl sie auch jetzt Make-up trug, fiel es nicht so auf wie das letzte Mal. Ihr Gesicht wirkte jünger und frischer. Aber nicht weniger umwerfend.
»Ja, sehr hübsch«, sagte ich und riss meinen Blick von ihr los.
»Danke … du siehst auch ziemlich gut aus.«
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, also stand ich nur da und |89| schaute blöd. Candy lachte mich einen Augenblick strahlend an, dann nahm sie die Hände aus den Taschen, bewegte sich auf mich zu, und ehe ich es merkte, war sie herangetreten und hatte mich auf die Wange geküsst.
Es war nur ein flüchtiger Kuss … ein freundlicher kleiner Begrüßungskuss … ein Hauch ihrer Lippen, kaum ein Berühren …
Und es war auch nicht so, dass ich noch nie geküsst worden wäre. Ich war zwar ganz sicher kein Romeo, nicht mal in meiner Einbildung, aber ich hatte doch schon ein bisschen was mit Mädchen erlebt. Nicht
alles
, aber in jedem Fall genug, um zu wissen, was was ist.
Das hier aber …
Dieser simple Kuss.
Das war etwas anderes.
Gott … es war so ein tolles Gefühl. Ich dachte, ich würde jeden Moment explodieren. Irgendwas in mir schien hinauf in den Himmel zu fliegen, hinauf ins Blaue, schien höher und höher zu steigen, bis die Luft so dünn war, dass ich kaum mehr atmen konnte und einen Augenblick dachte, ich würde sterben.
»Bist du dann so weit?«, fragte Candy.
»Hä?«
Sie lachte und tätschelte meinen Arm. »Komm schon. Wenn wir jetzt gehen, erwischen wir vielleicht gerade die Fütterungszeit.«
Als wir durch die Drehkreuze durch waren und uns vom Eingang entfernt hatten, war der Zoo gar nicht so voll, wie es von draußen gewirkt hatte. Obwohl er mir etwas kleiner vorkam, als ich ihn in Erinnerung hatte – mit weniger Freiflächen und mehr Gebäuden |90| –, war es immer noch ein ziemlich großes Gelände und die unzähligen Wege und Unterführungen reichten aus, um die Busladungen von Schülern und Touristen zu verteilen, so dass uns genügend Platz blieb und wir ungestört herumwandern und uns Zeit nehmen konnten. Nicht dass Candy viel wanderte. Sobald wir den Eingang hinter uns gelassen hatten, hellte sich ihr Gesicht auf und sie huschte umher, flatterte von einem Käfig zum andern und plapperte unentwegt wie ein aufgedrehtes Kind.
»Hey, Joe, guck dir das an … Gott, schau mal, wie
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