Candy
hinteren Ende des Clubs wieder lauter und mein Blick wurde in die Richtung des Lärms gezogen. Jetzt hatte sich eine Lücke in der Menge aufgetan und ich sah ein paar von den Leuten, die involviert waren. Der Erste, den ich erkannte, war einer der schwarzen Typen, die ich vorher im Pub gesehen hatte. Dann – mir wurde immer unwohler – sah ich noch einen von ihnen … und noch einen. Sie waren alle da. Ein halbes Dutzend, die im Halbkreis mit dem Rücken zur Tür standen und einen andern schwarzen Typen mit Blicken fertig zu |153| machen versuchten. Der andere stand mit dem Rücken zu mir, deshalb konnte ich sein Gesicht nicht sehen …
Aber ich wusste, wer es war.
Es war Mike.
Ich trat langsam nach vorn an den Rand der Bühne.
»Joe!« Jason rief nach mir. »Nun komm schon, Mann … was tust du?«
Ich ignorierte ihn und bewegte mich schneller.
Jetzt sah ich Gina. Sie stand an der Seite und schrie jemanden hinter den sechs schwarzen Typen an. Ich konnte nicht sehen, wer es war. Einer der schwarzen Jungs bewegte sich auf sie zu, Mike trat ihm entgegen und schlug ihn ins Gesicht. Als er zu Boden ging, fingen zwei von den andern an, nach Mike zu treten, und ich sprang von der Bühne und bahnte mir meinen Weg durch die Menge.
Es war kaum durchzukommen. Alle waren noch total aufgedreht von dem Auftritt und die Leute hielten mich auf, sagten mir, wie begeistert sie waren, und fragten, wo wir das nächste Mal spielen würden.
»Entschuldigung«, sagte ich immer wieder. »Darf ich mal, Entschuldigung, Entschuldigung …«
Der Lärm an den Türen hatte sich inzwischen gelegt. Mir gefiel nicht, wie das klang, es war zu still. Ich quetschte mich durch eine Lücke in der Menge und sprang auf einen Stuhl, um erkennen zu können, was los war …
Und meine Beine gaben nach.
Was los war, war Iggy.
Er ging rückwärts durch die Tür, zerrte Candy hinter sich her, seine leidenschaftslosen Augen in den Raum gerichtet wie zwei |154| geladene Pistolen … Er wirkte wie nichts und wie alles, beides zugleich. Wie nichts – kein Leben, keine Gefühle, keine Angst. Und wie alles – Größe, Stärke, die Kraft der Gewalt. Das alles ging von ihm aus. Der Rest der Truppe behielt seinen Rücken im Auge, überwachte seinen Abgang, doch er brauchte sie nicht. Er brauchte überhaupt nichts.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Mike flach am Boden lag und sich Gina weinend über ihn beugte. Der Anblick der beiden hätte eigentlich ausreichen sollen, um meine Gedanken von allem anderen abzuziehen, aber als Iggy auf halbem Weg durch die Tür stehen blieb und mich mit einem tödlichen Blick fixierte, verschwand der Rest der Welt.
Ich war allein in der Dunkelheit, stand auf einem Stuhl und das Einzige, was ich sah, war das sterile Licht aus Iggys Augen, das sich in meine brannte.
Mich lähmte.
Mich austrocknete.
Mich schrumpfen ließ bis zur Impotenz.
Er hielt noch immer Candy am Arm gepackt. Sie kämpfte kein bisschen, sondern stand nur da, hing ihm in der Hand wie eine leblose Trophäe, die darauf wartete, weggebracht zu werden. Iggys Lippen bewegten sich – ein leises Wort in ihr Ohr – und sie drehte ihren Kopf träge in meine Richtung. Ich fing einen kurzen Blick ihrer erloschenen Augen auf, eine Art glasiges Erkennen, dann war sie fort, ein in die Nacht entrückter Geist.
|155| 9. Kapitel
B is ich vom Stuhl runter war und mir den Weg zur Tür gebahnt hatte, war nicht mehr viel zu sehen. Candy und Iggy waren längst weg, Iggys Truppe war verschwunden, und jetzt, da die Schlägerei vorbei war, hatten auch die meisten Zuschauer ihr Interesse verloren und verzogen sich langsam. Alles schien auf seltsame Weise normal. Bis auf den Zustand von Mikes Gesicht und Ginas Schock war kaum mehr zu bemerken, dass es irgendwelchen Ärger gegeben hatte.
Mike war nicht sonderlich schwer verletzt. Er hatte ein paar heftige Schläge gegen den Kopf und in die Rippen abbekommen, Gesicht und Nase bluteten ein bisschen, aber immerhin war er wieder auf den Beinen. Und mehr als das – er war stinkwütend. Stand hoch aufgerichtet da, starrte böse durch den Saal und versuchte herauszufinden, was passiert war.
»Wo sind sie hin?«, stieß er hervor. »Wo ist der große Typ? Wo ist das Mädchen?«
Gina versuchte ihn zu beruhigen – hielt ihn fest, umarmte ihn und sah nach den Wunden an seinem Kopf –, doch sie wirkte selbst ziemlich wacklig. Ihre Hände zitterten, ihre Lippen bebten und ihr schockbleiches Gesicht war
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