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Candy

Candy

Titel: Candy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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Vielleicht lag es daran, dass ich sie nicht wirklich ansah, während ich sang. Ich schaute nämlich nirgendwohin. Meine Augen waren geschlossen, ich war nur auf den Song fixiert. Die Musik, der Text, der stetige Rhythmus, der einen in Trance versetzte und sich zu |150| den soghaft-sanften Wiederholungen des Refrains aufbaute:
     
    Candy, your eyes
    take me away,
    take me away,
    take me away   …
     
    Ich weiß nicht, was die Worte bedeuten, falls sie überhaupt was bedeuten. Sie waren mir in der Nacht, nachdem ich Candy zum ersten Mal getroffen hatte, einfach so eingefallen, während ich zu Hause saß und auf der Gitarre klimperte. Sie waren die Worte des Augenblicks und das war alles, worum es in dem Song ging, ganz ehrlich – um einen Moment.
    Als der Refrain endete, trat ich vom Mikrofon zurück, um mich auf den Gitarrenpart zu konzentrieren, der zur nächsten Strophe überleitete. Es war eine meiner liebsten Stellen im ganzen Song, ein echt schönes kleines Gitarrensolo. Total einfach zu spielen, doch es klang großartig.
    Ich schaute hinunter zu Candy. Sie tanzte jetzt. Ganz allein, mit geschlossenen Augen, sie tanzte sich die Seele aus dem Leib und bewegte sich wie in Trance. Sie wirkte so lebendig und selbstvergessen wie ein Kind   …
    Ich hätte den Song ewig weiterspielen können.
    Er musste aber zu einem Ende kommen, und als er es schließlich tat, nach einem donnernden Tosen aus Schlagzeug und Gitarren, schien die plötzliche klingende Stille jeden zu schockieren. Einen Moment lang rührte sich niemand, keiner machte ein Geräusch   … und dann auf einmal explodierte der Raum, alle jubelten, klatschten und riefen: Zugabe, und die Schwingung ihrer |151| stampfenden Füße hallte im Boden wider   …
    Es war atemberaubend.
    Ein unbeschreibliches Gefühl. Als Jason der Menge einen Abschiedsgruß zurief, wir die Verstärker abschalteten und von der Bühne marschierten, hatten wir alle denselben entrückten Blick in den Augen – eine Mischung aus Rausch und purer Erschöpfung. Ich war mental und physisch am Ende. Meine Ohren rauschten, meine Finger bluteten, meine Klamotten waren schweißnass. Ich hatte mich in meinem ganzen Leben noch nie besser gefühlt.
    Ich fühlte mich so gut, dass ich Candy fast vergaß.
    Ich blieb stehen, drehte mich um und kehrte noch mal auf die Bühne zurück. Die Hauptbeleuchtung war wieder an, und als mich einige aus der immer noch jubelnden Menge entdeckten, glaubten sie, wir kämen zurück für eine Zugabe. Der Jubel wurde lauter – Zugabe, Zugabe, Zugabe – und ich fühlte mich langsam ein bisschen blöde. Ich weiß nicht, wieso, aber ich fühlte mich plötzlich, als ob ich dort nicht mehr hingehörte. Es war wirklich merkwürdig. Noch vor ein paar Minuten hatte ich mich hier – während ich im Rampenlicht stand und mir das Herz aus der Seele sang und spielte – absolut zu Hause gefühlt, und jetzt war mir die Bühne auf einmal so fremd, dass ich Angst hatte, mich zu weit von den Rändern fortzuwagen.
    Das heißt, bis ich sah, was geschah.
     
    Zuerst dachte ich, es sei bloß irgendeine Schlägerei, und ich machte mir keine weiteren Gedanken darüber. So was passiert an Orten wie dem
Black Room
ständig – betrunkene Handgemenge, ein paar Schläge, Streitereien, die aus dem Ruder laufen. Meistens |152| ergibt sich nicht viel draus. Und das da schien sich auch nicht schlimmer zu entwickeln als sonst – aufgebrachte Stimmen, ein bisschen Schubsen und Schieben   … Ich konnte wirklich nicht viel sehen, weil das Ganze hinten, an der Rückwand des Clubs, geschah, in der Nähe der Türen, hinter einer Menge von Zuschauern. Es interessierte mich auch nicht besonders. Ich wollte nur einfach Candy finden   … sie auf einen Drink einladen   … hören, wie sie den Auftritt fand   … sie vielleicht Gina und Mike vorstellen. Oder vielleicht auch nicht. Keine Ahnung. Ich wollte sie einfach nur finden, das war alles.
    Sie war nicht mehr unten, direkt vor der Bühne, also ließ ich meinen Blick über die Menge wandern, suchte den Raum ab, hielt Ausschau nach ihrem Gesicht   … aber bisher hatte ich kein Glück.
    Ich hörte, wie Jason vom Gang aus nach mir rief. »Joe! Wo steckst du? Komm her, da sind ein paar Typen von einer Plattenfirma. Sie wollen uns sprechen, Joe!«
    »Ja«, rief ich zurück. »Ich komm gleich.«
    Ich schaute weiter und suchte den ganzen Raum mit all seinen Gesichtern ab.
    Na komm, Candy   … wo bist du?
    Genau in dem Moment wurde die Rauferei am

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