Candy
Taxi am Stand. Und diesmal hatte ich kein Problem, die Tür zu öffnen.
Das Taxi setzte uns am Anfang der Auffahrt ab. Candy zahlte wieder und wir stiegen aus.
»Ist das euer Haus?«, fragte sie und schaute den Weg entlang.
»Ja …«
»Sehr schön.«
Ich öffnete das Tor und wir gingen los.
»Wie sieht deins aus?«, fragte ich sie.
»Mein was?«
»Dein Haus.«
»Du hast es doch heute Abend gesehen …«
»Nein, ich meine, wo du früher gewohnt hast. Das Haus deiner Eltern.«
»Ach so«, sagte sie schulterzuckend. »Ähnlich wie das hier, glaub ich. Nicht so alt … ein bisschen größer vielleicht …«
Ihre Stimme verlor sich und ich hatte den Eindruck, dass sie nicht mehr drüber reden wollte, also gingen wir schweigend weiter. Es war ein merkwürdiges Gefühl, wieder zu Hause zu sein – zurück inmitten der endlosen Rasenfläche, der Kiefern und der gut gepflegten Hecken … geborgen in Komfort. Dies alles vermittelte Sicherheit.
Hier ist es sicher
, dachte ich mir.
Es ist friedlich, es ist still, es ist dein Zuhause. Es ist der Ort, wo du hingehörst, wo du sein solltest.
|260| »Ich kann hier nicht bleiben«, sagte Candy.
»Was ist?«
»Ich kann hier nicht bleiben.«
»Ich weiß«, antwortete ich. »Wir werden ja auch nicht bleiben.«
Wir näherten uns der Haustür. Ich grub den Schlüssel aus meiner Tasche und führte Candy unter das Vordach. Sie sah wirklich beunruhigt aus, beinahe ängstlich, wie ein schüchternes junges Mädchen, das gleich zum ersten Mal die Eltern seines Freundes trifft.
»Okay?«, fragte ich sie.
Sie nickte.
»Mach dir keine Sorgen«, sagte ich. »Wir bleiben nur ungefähr eine halbe Stunde – ja?«
Sie nickte wieder.
Ich sah sie einen Augenblick an – kurz erstaunt, dass dieses wunderschöne Mädchen tatsächlich hier war … mit mir … bei mir zu Hause –, dann öffnete ich die Tür und wir gingen hinein.
|261| 16. Kapitel
U m ehrlich zu sein, Candy war nicht die Einzige, die ein bisschen ängstlich war. Als ich sie – Ginas und Mikes Stimmen folgend – den Flur entlang zur Küche führte, war auch ich ziemlich nervös. Ich wusste wirklich nicht, was mich erwartete. Mir war klar, dass Gina und Mike nett zu ihr sein würden, darum machte ich mir keine Sorgen. Sie waren Menschen, die so ziemlich zu jedem nett wären, den ich nach Hause brächte. Nein, darum machte ich mir wirklich keine Sorgen …
Sorgen
machte ich mir eigentlich um gar nichts. Ich wollte nur einfach, dass sie sie mochten. Vor allem Gina. Ich wollte unbedingt, dass sie Candy richtig
gern
hatte. Es war vermutlich egoistisch, darauf zu hoffen, und wahrscheinlich auch ein bisschen pubertär …
Aber was soll’s? Wenn man nicht mal bei seiner Schwester egoistisch und pubertär sein kann, wozu hat man dann eine?
Wie auch immer, als wir zur Küchentür kamen, blieb ich einen Augenblick stehen und fragte Candy leise, ob alles okay sei.
Sie nickte.
Ich sagte: »Bist du bereit?«
Sie nickte noch einmal.
Ich öffnete die Tür und wir zwei traten in die Küche. Gina und |262| Mike saßen zusammen am Tisch, tief in ein Gespräch versunken. Als wir hereinkamen, hörten sie auf zu reden und schauten zu uns auf.
»Hey«, sagte ich und nickte ihnen beiden zu. »Das ist Candy.«
Gina lächelte sie an. »Hallo, Candy. Ich bin Gina und das ist Mike.«
»Hi«, erwiderte Candy leise und nickte mit dem Kopf.
Mike nickte zurück.
Gina stand auf und kam auf uns zu. Sie umarmte mich kurz, dann schüttelte sie Candy die Hand.
»Nett, dich kennen zu lernen.«
»Danke«, sagte Candy verlegen.
Gina trat zurück und betrachtete uns lange mit strengem Blick. »Herrje«, sagte sie. »Ihr beiden seht ja aus, als hättet ihr einen Krieg hinter euch.« Sie streckte die Hand aus und berührte den Schnitt an meiner Kehle. »Was ist das, Joe?«
»Nichts …«
»Nach
nichts
sieht es aber nicht aus.« Sie wandte sich Candy zu. Ich dachte schon, sie wollte Candy nach meiner Kehle fragen, aber stattdessen hob sie ihre Hand an Candys Gesicht und wiegte behutsam ihr Kinn. Candy versteifte sich leicht. »Keine Angst«, sagte Gina sanft und legte ihren Kopf schräg, um die Blutergüsse um Candys Auge zu untersuchen. »Wann ist das passiert?«
»Vor ein paar Tagen«, antwortete Candy zögernd.
»Hast du’s nachschauen lassen?«
Candy sah mich verunsichert an.
»Keine Angst«, versicherte ich ihr. »Gina ist Krankenschwester – sie kann es nicht lassen, persönliche Fragen zu
Weitere Kostenlose Bücher