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Candy

Candy

Titel: Candy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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eine Wiedereingliederungsmaßnahme   … und was tue
ich
? Ich schick sie mit diesem Kindskopf von Bruder in die Wüste, verdammt noch mal. Ich muss verrückt sein.«
    »Das kann sie sich alles nicht leisten«, sagte ich und setzte mich an den Tisch.
    Gina sah mich an. »Das weiß ich.«
    »Sie will nicht zu ihren Eltern zurück, sie hat keine Freunde und sie will nicht hier bleiben, weil sie keine Umstände machen will. Wo sonst kann sie hin?«
    »Das weiß ich nicht«, sagte Gina. »Ich mag nur den Gedanken nicht, das ist alles. Ich meine, was ist, wenn was passiert? Was ist, wenn Dad es rausfindet? Was ist   –«
    »Es wird nichts passieren«, sagte ich. »Und Dad wird auch nichts rausfinden.«
    »Nein? Was ist, wenn er anruft? Was ist, wenn er mit dir sprechen will?«
    »Keine Ahnung   … Sag ihm, ich schlaf oder irgendwas.«
    »Und wenn er um sechs Uhr abends anruft? Wenn ich ihm um sechs sage, du schläfst, stellt er doch gleich Fragen.«
    »Sag ihm, ich bin weggegangen.«
    »Du hast doch Hausarrest – erinnerst du dich?«
    »Dann sag ihm, ich bin im Bad. Sag ihm irgendwas   … ist doch egal. Wahrscheinlich ruft er sowieso nicht an. Tut er doch sonst auch fast nie.« Ich holte tief Luft und atmete sie langsam wieder aus. »Hör mal«, sagte ich, »ich bin dir wirklich dankbar für das, |267| was du machst, und es tut mir auch Leid, dass alles so ein Chaos ist. Ich
wollte
nicht, dass es so endet   … ich
wollte
überhaupt nichts   …«
    Gina seufzte. »Wie, um Himmels willen, hast du sie denn gefunden?«
    »Ich hab bloß   … keine Ahnung. Das ist eine lange Geschichte.« Ich schaute zur Uhr – es war fast zehn. »Wir müssen gleich los. Den letzten Zug kriegen.«
    »Ihr müsst doch nicht heute noch fahren«, sagte Gina. »Warum bleibt ihr nicht beide hier? Ruht euch ein bisschen aus. Und morgen früh können wir über alles reden.«
    »Nein, ich denke, wir fahren besser.«
    »Warum?«
    Ich sah sie an und wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich hatte keine Ahnung, warum. Es machte Sinn, hier zu bleiben – es war schön sicher und warm und gemütlich und Gina und Mike würden in der Nähe sein, also müsste ich nicht mit allem allein fertig werden. Und Candy würde es vermutlich auch helfen, noch jemand andern zum Reden zu haben   …
    Aber das wollte sie ja nicht, oder? Sie
wollte
nicht hier bleiben. Und ich konnte sie doch wohl kaum dazu zwingen.
    »Pass auf«, sagte Gina, »wenn ihr wirklich heute Nacht fahren müsst – obwohl ich immer noch nicht einsehe, wieso das nötig ist   –, aber wenn ihr denn unbedingt müsst, dann lasst doch wenigstens uns euch ins Cottage bringen.«
    »Danke   … aber das braucht ihr nicht. Der Zug ist okay.«
    »Es ist überhaupt kein Problem. Es macht uns nichts aus, euch zu fahren.«
    »Ich weiß, dass es euch nichts ausmacht – ich glaub nur, es ist |268| besser, wenn ihr’s nicht tut.«
    »Aber warum nicht? Es ist spät, es ist kalt, das Cottage liegt mindestens fünfundzwanzig Kilometer vom Bahnhof entfernt. Ihr kommt mitten in der Nacht an, da fährt garantiert kein Bus mehr.«
    »Wir nehmen ein Taxi.«
    »Sei nicht albern, Joe. Was ist los mit dir? Wir werden euch bestimmt nicht   …«
    »Lass sie mit dem Zug fahren«, mischte sich Mike ein. »Sie schaffen das schon.«
    Ärger blitzte in Ginas Gesicht auf und einen Moment glaubte ich, sie würde Mike anschreien, aber dann wechselten sie einen Blick, einen innigen Austausch von Vertrauen, und schließlich stimmte Gina widerwillig mit einem Kopfnicken zu.
    Mike sagte zu mir: »Ich fahr euch zum Bahnhof. Wann geht der Zug?«
    »Halb elf.«
    Er schaute auf die Uhr, danach wandte er sich an Gina. »Dann solltest du besser raufgehen und dich um Candy kümmern. In ungefähr zehn Minuten müssen wir los.«
    »Was ist mit Joe?«, fragte Gina. »Er muss doch wissen   –«
    »Ich rede mit ihm.«
    Gina nickte. Sie sah mich an, begann etwas zu sagen, dann änderte sie ihre Meinung und ging schweigend hinaus. Ich schaute ihr hinterher, bis sie verschwand, dann drehte ich mich zu Mike um. Er fixierte meine Augen, ruhig, kühl und fest.
    »Danke«, sagte ich.
    »Ich fahr euch nur kurz hin.«
    »Das mein ich nicht.«
    |269| »Ich weiß«, sagte er und schlürfte seinen Kaffee. Er nahm sich Zeit, den Geschmack auszukosten, dann stellte er seinen Becher ab und sah mich wieder an. »Also«, sagte er, »hattet ihr einen schönen Tag?«
    »Nicht schlecht«, sagte ich lächelnd. »Ein bisschen anstrengend   …«
    Er

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