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Candy

Candy

Titel: Candy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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stellen.«
    »Halt die Klappe, Joe«, sagte Gina und wandte ihre Aufmerksamkeit |263| Candys verbundenem Arm zu. »Was ist damit?« Sie nahm Candys Handgelenk, hielt es vorsichtig fest und bog es leicht hin und her. »Tut das weh?«
    »Nur ein bisschen   …«
    »Wer hat den Verband gemacht?«
    »Ich.«
    »Ziemlich gute Arbeit. Aber er muss gewechselt werden. Geröntgt worden ist es wahrscheinlich nicht?«
    »Nein   …«
    Gina nickte, dann trat sie zurück und sah Candy in die Augen. »Bist du okay? Ich meine, brauchst du irgendwas? Was zu essen   … irgendwas zu trinken?«
    »Nein   … mir geht’s gut, danke.«
    »Wann hast du das letzte Mal was genommen?«
    Candy zögerte wieder und sah mich an.
    Ich sah Gina an.
    Sie sagte zu Candy: »Ist schon in Ordnung, spielt keine Rolle, ich wollte nur wissen, ob alles in Ordnung ist, sonst nichts.«
    »Ja«, sagte Candy misstrauisch. »Ich bin okay   … äh   … ich hab was genommen, ehe wir in den Zug gestiegen sind.«
    »Wie viel hast du noch?«
    »Genug für die Nacht.«
    »Und dann?«
    »Ich weiß nicht   …«
    Sie sahen sich eine Weile an und ich fragte mich, ob Gina nicht ein bisschen zu viel Druck machte und der Wahrheit allzu schnell ins Auge sah. Aber dann dachte ich:
Vielleicht ist es ja das Beste   … es auszusprechen, ins Auge zu fassen, zu akzeptieren. Vielleicht ist es genau das, was ich hätte tun sollen.
    |264| »Okay«, sagte Gina und lächelte Candy an. »Willst du dich frisch machen oder irgendwas? Ins Bad gehen?«
    Candy nickte. »Das wär schön.«
    »Joe zeigt dir, wo es ist. Wenn dir irgendwas fehlt, mein Zimmer ist ganz oben. Zweite Tür rechts. Nimm einfach, was du brauchst. Ich komm dann rauf und mach dir einen neuen Verband – einverstanden?«
    »Ja, danke«, antwortete Candy lächelnd.
    »Joe?«, sagte Gina.
    »Was ist?«
    »Das Bad   …«
    »Ach ja   … richtig.« Ich blickte Candy an. Sie sah Gina mit einem Ausdruck an, den ich nicht ganz zu deuten wusste – einem Mix aus Verwirrung, Erleichterung, Argwohn und Dankbarkeit. »Alles klar?«, fragte ich sie.
    Sie blinzelte und sah mich an. »Äh hm.«
    »Okay, dann hier lang.«
    Als ich sie die Treppe hinauf ins Bad führte, spürte ich, dass sich das Gleichgewicht wieder verändert hatte. Auf einmal waren wir zu dritt auf der Wippe – ich, Candy und Gina. In gewisser Weise war das ein gutes Gefühl   … irgendwie beruhigend – weil wir nicht mehr allein waren, war das alles auch nicht mehr ganz so erschreckend. Doch ich fühlte noch etwas anderes   … etwas an dieser zusätzlichen Gegenwart beunruhigte mich. Ich weiß, es klingt kindisch, aber ich hatte das Gefühl, als ob jemand anderes in unserem Spiel mitmischte. Es war
unsere
Wippe, meine und Candys, und ich
wollte
sie nicht mit jemand anderem teilen   …
    Klingt
kindisch?
    Es
war
kindisch.
    |265| Ich wusste es auch da schon.
Was ist los mit dir?
, fragte ich mich.
Noch vor zehn Minuten wolltest du unbedingt, dass Gina Candy mag   … und jetzt   … jetzt, wo du weißt,
dass
sie sie mag – was tust du da? Jetzt fängst du an, nickelig zu werden   …
    »Sie ist nett, was?«, sagte Candy.
    »Wie?«
    »Deine Schwester – sie ist wirklich nett.«
    »Ja   …«, sagte ich und schämte mich. »Ja, das ist sie.«
    »Echt schade   …«
    »Was ist schade?«
    »Ich meine, schade, dass wir wegmüssen. Es wär schön, sie ein bisschen besser kennen zu lernen.«
    »Na ja, vielleicht kannst du das ja. Wir
müssen
nicht   –«
    »Nein, ich hab dir doch gesagt – ich kann hier nicht bleiben.«
    »Ja, ich weiß. Aber   –«
    »Ich
kann
nicht – okay? Es wär nicht fair.«
    »Wieso nicht?«
    »Weil   … weil es das einfach nicht wär.« Dann schaute sie von mir weg, bemüht, das Thema zu wechseln. »Ist das das Bad?«
    »Ja«, sagte ich und öffnete die Tür. »Frische Handtücher müssten im Wäscheschrank sein.«
    »Danke«, sagte sie schnell und ging hinein. »Ich bin gleich wieder da.« Sie schloss die Tür.
    Ich stand einen Moment da und fragte mich, warum alles so kompliziert sein musste, dann ging ich wieder runter in die Küche.
     
    Gina stand am Tisch, packte eine Reisetasche mit Dosen voll Proviant, Kleidern und sonst was, während Mike dasaß, sie beobachtete |266| und aus einem großen weißen Becher Kaffee schlürfte.
    »Ich weiß gar nicht, warum ich das tue«, sagte Gina und schüttelte den Kopf. »Das Mädchen braucht fachmännische Hilfe. Sie braucht medizinischen Beistand, Sozialbetreuung,

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