Candy
nickte langsam und fasste den Schnitt an meiner Kehle ins Auge. »Sieht aus, als wär dir da jemand ziemlich nahe gekommen.«
»Ja, kann man wohl sagen.«
»Magst du drüber reden?«
»Nicht wirklich … vielleicht später mal.«
»Okay«, sagte er, »wie du willst.« Er nahm wieder einen Schluck Kaffee. »Zwei Dinge trotzdem, zwei simple Fragen.«
»Ich glaube nicht –«
»Hör zu, Joe«, sagte er, »was du mit deinem Leben machst, ist deine Sache, das kann ich akzeptieren. Aber wenn du irgendwas getan hast, das Folgen haben könnte für Gina oder mich, dann ist das sehr wohl meine Sache – okay?«
Ich nickte.
»Gut«, sagte er. »Erste Frage: Lebt Iggy noch?«
»Ja.«
»Und zweite Frage: Weiß er, wer du bist?«
»Wie meinst du das?«
»Weiß er, wie du
heißt
?«
»Keine Ahnung … ich glaub nicht …«
»Komm, denk nach. Es ist wichtig. Wenn er deinen Namen weiß, kann er rausfinden, wo du wohnst.«
Ich dachte nach, versuchte mich zu erinnern, ob er mich je |270| beim Namen genannt hatte. Es war aber schwierig nachzudenken … schwer, durch den Dunst der Angst zu blicken. »Ich bin ziemlich sicher, dass er ihn
nicht
kennt«, sagte ich zu Mike. »Ich bin ihm nur zweimal begegnet, deshalb sehe ich nicht, wie er ihn kennen sollte … es sei denn, Candy hätte ihn genannt. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie das getan hat.«
»Du musst es rausfinden, bevor ihr verschwindet.«
»Ich werd sie fragen.«
»Okay«, sagte er und sah auf seine Uhr. »Es gibt noch einen weiteren Punkt. Gina meint, du solltest wissen, was dir bevorsteht, wenn es Candy ernst meint und sie wirklich vom Heroin loskommen will. Persönlich bin ich nicht sicher, ob es einen Unterschied macht, wenn man weiß, was einen erwartet, aber ich denke, es kann auch nicht schaden. Glaubst du, dass sie es
wirklich
ernst meint?«
»Das kann ich nicht sagen.«
»Hat sie schon jemals versucht runterzukommen?«
»Keine Ahnung.«
»Okay. Also, wenn du mich fragst, wird es Candy beschissen gehen – ich meine,
richtig
beschissen. Sie wird glauben zu sterben. Sie wird glauben durchzudrehen. Sie wird gereizt und deprimiert sein, schlaflos, krank, alles wird ihr wehtun – sie kriegt Magenkrämpfe, Muskelschmerzen, Durchfall, Fieber. Sie wird dich anschreien, sie wird dich hassen, sie wird dich anlügen, wahrscheinlich wird sie auch gewalttätig werden …« Er sah mich an. »Glaubst du, dass du das aushältst?«
»Ich weiß es nicht …«
»Aber du willst es versuchen?«
»Ja, ich glaub schon.«
|271| Er lächelte. »Sie muss dir viel bedeuten.«
»Ja … das tut sie.«
»Okay«, sagte er, »aber bedenk eines – egal welche Gefühle sie für dich hat, sie werden nicht so stark sein wie die für das Heroin. Wenn du ihr helfen willst, könnte es sein, dass du sie loslassen musst.«
Damals wusste ich nicht, was er damit meinte, aber später fand ich heraus, dass er Recht hatte. Vielleicht nicht in der Weise, wie er es gemeint hatte, aber das ist wohl egal.
Er hatte jedenfalls Recht.
Fünf Minuten später saßen wir alle in Mikes Wagen und fuhren zum Bahnhof. Gina hatte Candys Gesicht gesäubert, einen neuen Verband um das Handgelenk gewickelt und jetzt erklärte sie uns, was sie in die Tasche gepackt hatte.
»Es ist jede Menge Dosennahrung drin, frisches Obst, Orangensaft, Brot … Verbandmaterial, Aspirin, Gesichtscreme, Zahnpasta … ich glaub, ich hab nichts vergessen. Hast du den Schlüssel für das Cottage eingesteckt, Joe?«
»Ja.«
»Weißt du noch, wo alles ist? Der Sicherungskasten, Ersatzbirnen, Laken, Decken?«
»Mach dir keine Sorgen«, sagte ich, »wir kommen schon zurecht. Wenn wir was brauchen, ruf ich dich an.«
»Das Ladegerät für dein Handy hab ich in die Tasche getan.«
»Danke.«
Wir näherten uns jetzt dem Bahnhof. Mike sah mich durch den Rückspiegel an und warf den Blick in Candys Richtung. Einen Moment wusste ich nicht, was er wollte, dann formte er mit den |272| Lippen das Wort
Name
und plötzlich erinnerte ich mich.
Ich drehte mich zu Candy und sagte: »Kennt Iggy meinen Namen?«
»Deinen Namen?«
»Ja … ich meine, hat er je gefragt, wie ich heiße?«
»Ja, hat er … aber ich hab ihn angelogen. Ich hab gesagt, du heißt Kevin.«
»Kevin?«
»Ja«, sagte sie mit einem Lächeln. »Kevin Williams.«
»Wieso Kevin?«
»Ich weiß nicht«, antwortete sie achselzuckend. »War das Erste, was mir eingefallen ist. Vielleicht weil du wie Kevin
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