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Candy

Candy

Titel: Candy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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sein?
    Nichts
, sagte ich mir.
Überhaupt nichts   …
    Aber ich war mir nicht sicher. Erstens, weil ich wusste, dass die Situation nicht normal
war
und dass alles, was wir unternahmen, um so zu tun, nichts anderes bedeutete, als die unvermeidbare Wahrheit zu leugnen. Und zweitens war ich mir gar nicht so sicher, ob ich überhaupt wollte, dass wir normal waren – und diese Tatsache fand ich ziemlich beunruhigend. Ich wollte natürlich nicht, dass wir
unnormal
waren. Ich wollte das ganze Chaos und dieses ganze Unterweltzeug nicht   … doch da kamen wir her. Das Chaos war Teil von uns. Teil dessen, was wir waren. Und ich hatte |286| Angst, wenn wir es ganz verlören, würden wir vielleicht auch einen Teil von uns verlieren   …
    Jedenfalls glaube ich, dass ich das dachte.
    Ich war müde. Es war fast zwei Uhr morgens und ich starrte mit leerem Blick in die lodernden Flammen   … nicht richtig anwesend   … mir über nichts richtig bewusst. Die Gedanken in meinem Kopf hatten nichts mehr mit mir zu tun. Sie waren nur Schnipsel irgendwelcher Dinge   – Bilder, Worte, Erinnerungen, Gefühle   –, die nutzlos herumflogen wie Staub im Wind.
    »Hier ist dein Tee«, sagte Candy, setzte sich neben mich und brach in meine Trance ein. Sie reichte mir einen Becher mit pechschwarzer Flüssigkeit.
    »Danke«, sagte ich.
    »Es ist keine Milch da, fürchte ich, und ich konnte auch keinen Zucker finden.«
    Ich nahm einen Schluck – er schmeckte widerlich.
    »Großartig«, sagte ich.
    »Ehrlich?«
    »Ja.«
    »Lügner«, sagte sie lächelnd. »Er ist schrecklich, stimmt’s?«
    »Absolut eklig.«
    Wir stellten beide unsere Becher ab und starrten ins Feuer. Candy zündete sich eine Zigarette an, rauchte eine Weile nachdenklich und blies lange Rauchfahnen in die Hitze der Flammen, dann drehte sie sich zu mir und sagte: »Der Song, den du im
Black Room
gespielt hast   … den du zum Schluss gesungen hast, erinnerst du dich?«
    »Ja   …«
    »Hast
du
den geschrieben?«
    |287| »Hauptsächlich, ja   … ich meine, wir haben ihn zusammen entwickelt   –«
    »Aber geschrieben hast du ihn?«
    »Ja.«
    »Geht es darin um die, von der ich glaube, dass es um sie geht?«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich grinsend. »Was glaubst du denn, um wen es geht?«
    »Komm schon, Joe – lass mich nicht so zappeln. Das wär peinlich   …«
    »Was wär peinlich?«
    »Du weißt schon   … wenn ich sagen würde, ich denke, es geht um mich, und dann stellt sich raus, es stimmt gar nicht   … Gott, überleg mal, wie ich mich dann fühlen würde.«
    »Du glaubst, es geht in dem Song um
dich
?« Sie starrte mich an.
    »Ja, okay«, gab ich zu, »ich hab ihn in der Nacht geschrieben, nachdem ich dich das erste Mal getroffen hatte. Ich kannte dich da noch nicht so richtig, deshalb weiß ich nicht, ob er allzu viel bedeutet.«
    »Für mich schon. Gott, als ich dich singen gehört hab   … verdammt, Joe   … ich kann dir gar nicht
sagen
, was der Song da mit mir gemacht hat.«
    »Du hast toll ausgesehen, als du dazu getanzt hast.«
    »Ich hab mich auch gut
gefühlt

    »Ich mich auch   …«
    Eine Weile sagte keiner von uns was. Wir saßen nur da, starrten ins Feuer und dachten unsere Gedanken. Der Raum war still. Die Kerzen brannten   … das Flammenlicht flackerte   … die Farben spielten stumm auf den Wänden   … Gelb, Rot, Blau, Orange   …
    |288| »Tut mir Leid«, sagte Candy. »Es hätte alles besser enden sollen als so.«
    Ich sah sie an. »Wir haben doch noch viel Zeit.«
    »Ja   …«, sagte sie und senkte den Blick. »Ich wollte dir nur Danke sagen   …«
    »Wofür?«
    »Für den Song   … für alles. Was du getan hast   … was du versuchst zu tun   … ich weiß nicht – einfach alles, glaube ich. Tut mir Leid. Ich bin nicht sonderlich gut drin zu sagen, was ich meine.«
    »Du musst gar nichts sagen.«
    Einen Moment sah sie mich an, ihre Augen verdunkelt von Traurigkeit, dann streckte sie die Hand aus und berührte meine Wange mit ihrem Finger. »Du sitzt zu nah am Feuer«, sagte sie. »Dein Gesicht ist ganz rot   …«
    Ich hielt ihrem Blick stand. »Du wechselst das Thema.«
    »Ich weiß.«
    »Wir müssen über einiges reden.«
    »Ich weiß.«
    »Schau«, sagte ich zögernd, »es ist deine Sache, was du tust. Es ist dein Leben   … ich versuche nicht, dich dazu zu bringen, etwas zu tun, was du nicht willst   …« Ich seufzte und wünschte mir, ich könnte einfach sagen, was ich meinte, und würde nicht die

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