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Candy

Candy

Titel: Candy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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ganze Zeit drum herumreden. Ich sah Candy an. Sie starrte wieder ins Feuer. Ich sagte: »Ich kann das nicht allein. Du musst mir helfen, dir zu helfen.«
    »Wie?«, fragte sie.
    »Keine Ahnung   … erzähl mir einfach was. Ich weiß nicht, was du denkst. Ich weiß nicht, was du bei irgendwas fühlst. Ich weiß nicht, wo du stehst.«
    |289| »Ich auch nicht«, sagte sie leise. »Ich musste noch nie darüber nachdenken. Ich musste auch noch nie mit jemandem darüber reden.«
    »Worüber?«
    »Über Drogen«, sagte sie langsam und sah mich an. »Heroin   … ich denke nicht drüber nach   … solange ich was habe, gibt es keinen Grund, drüber nachzudenken. Es ist einfach ein Bedürfnis, wie Sauerstoff. Du denkst doch auch nicht übers Atmen nach, oder? Du atmest einfach. Nur wenn du keine Luft kriegst, merkst du plötzlich, dass du ohne nicht auskommst. Deshalb ist es so schwer, drüber zu reden, Joe. Ich kann mir nicht vorstellen, es
nicht
zu tun, genauso wie du dir nicht vorstellen kannst, nicht zu atmen. Aber ich weiß, ich muss   … ich
muss
aufhören. Wenn ich nicht aufhöre, hab ich keine Chance mehr.« Sie saß da, die Knie dicht an die Brust gezogen, die Arme eng um die Beine geklammert, sie schaukelte leicht, vor und zurück, und versuchte, nicht zu weinen. »Ich hab Angst, Joe«, flüsterte sie. »Ich hab solche
Angst
. Ich weiß nicht, ob ich es schaffe   …«
    »Ist ja schon gut«, sagte ich und rückte zu ihr rüber. »Alles wird gut   …«
    »Nein, wird es nicht«, sagte sie. »Es wird richtig schlimm.«
    »Ja, aber wenn es erst mal vorbei ist   … wenn du wieder okay bist   …«
    Sie weinte jetzt, heulte richtig. Ich rückte noch näher heran und legte den Arm um sie. Ihr Kopf war zwischen den Knien versunken, ihre Schultern hoben und senkten sich und sie würgte in atemlosen Schluchzern Wörter heraus.
    »Ich   … weiß nicht   … ich   …«
    »Was weißt du nicht?«, fragte ich vorsichtig.
    |290| »Es ist wie   … es ist wie   … ich weiß nicht   … ich er-erinnere mich nicht   …« Sie schüttelte den Kopf, dann holte sie tief Luft, streckte ihren Rücken und versuchte krampfhaft, sich zu beruhigen. »Gott«, sagte sie und wischte sich die Augen, »das ist so verdammt
schwer
.« Sie sah mich an. Ihre Lippen zitterten und Make-up-Streifen liefen ihr übers Gesicht. Als sie sprach, klang ihre Stimme immer noch brüchig, aber nicht mehr so atemlos wie vorher. »Es ist nicht nur das mit dem Heroin, das mir Angst macht«, erklärte sie, »auch alles andere. Es ist wie   … ich hab so lange da dringesteckt, da drin, wo alles betäubt und tot ist und du über nichts nachdenken und dir keine Sorgen machen musst   … Ich erinnere mich gar nicht, was das für ein Gefühl ist,
draußen
zu sein. Ich weiß nicht mehr, wie das ist, normal zu sein   … mit Sachen klarkommen zu müssen, Gefühle zu haben, wieder ich selbst zu sein   …« Sie seufzte schwer und schaute zu Boden. »Das ist eine andere Welt, Joe«, sagte sie leise, »Und sie erschreckt mich zu Tode.«
     
    Danach saßen wir eine Weile nur da und hielten uns gegenseitig in der kerzenerleuchteten Stille fest. Das Feuer brannte allmählich runter, die ausgebrannten Scheite knackten und zischten in der sterbenden Glut, und als die kalte Nachtluft langsam in unsere Knochen kroch, hielten wir uns noch enger umschlungen und teilten die Wärme unserer Körper. Candy legte den Kopf auf meine Schulter und ich spürte, wie ihr Atem leise auf meiner Haut wisperte. Es war hypnotisierend – der stete Rhythmus, die Hitze, die Berührung – wie ein Wiegenlied ohne Worte. Stück für Stück trieb sie von mir fort, und als ihr Atem schwächer wurde vom Schlaf, schloss auch ich die Augen und ließ mich in das Dunkel |291| herabsinken.
     
    Einige Zeit später, in den frühen Morgenstunden, wachte ich auf und fand Candy mitten in einem Albtraum. Sie stöhnte und wimmerte, ihr Körper zuckte, ihre Fäuste und Augen waren krampfhaft geschlossen, als hätte sie Schmerzen.
    Ich stieß sie vorsichtig an. »Candy   … Candy   … wach auf.
    Ihr Kopf schlug von einer Seite zur andern und sie stieß einen winzig kleinen Schrei aus.
    »Wach auf«, wiederholte ich und fasste diesmal nach ihrer Hand.
    Sie riss die Augen auf und starrte mich an, blinzelte verwirrt auf die Reste ihres Traums.
    »Was   …?«, murmelte sie.
    »Ich bin’s«, sagte ich. »Joe   … Du hast einen Albtraum gehabt.«
    »Joe?«, sagte sie.
    »Ja   … Alles in

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