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Candy

Candy

Titel: Candy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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Ordnung mit dir?«
    Sie rieb sich die Augen, schüttelte den Kopf, gähnte heftig, dann fing sie an, sich die Arme zu reiben. »Verdammt   … ist das kalt.« Ihre Stimme klang verschlafen. »Wie spät ist es?«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich. »Noch früh   …«
    »Zu kalt«, murmelte sie. »Lass uns ins Bett gehen.«
    »Ins Bett?«, fragte ich dümmlich.
    Sie überhörte mich, stand auf und schwankte leicht auf ihren Beinen. Ich streckte die Hand aus, um ihr zu helfen, das Gleichgewicht zu finden, dann kam ich selbst auf die Beine.
    »Ich nehm das hintere Schlafzimmer«, murmelte ich und vermied ihren Blick. »Du kannst das große haben.«
    »Ich will nicht allein schlafen«, sagte sie.
    |292| Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich wusste nicht, was tun   … was ich tun
sollte
… was ich tun
wollte
… ich wusste gar nichts. Das Einzige, was ich schaffte, war sie anzusehen.
    »Komm einfach ins Bett, Joe«, sagte sie ganz simpel.
    Ich wusste immer noch nichts, als ich die heruntergebrannten Kerzen ausblies und ihr ins Schlafzimmer folgte. Ich stand da und sah zu, wie sie sich ins Bett legte, ohne sich auszuziehen, dann kroch ich neben sie.
    Du musst nichts wissen
, dachte ich mir.
Du musst gar nichts wissen.
    Die Laken waren kalt, die Dunkelheit der Nacht unheimlich still, und als ich mich zu ihr legte und die Augen schloss, schwand alles ins Nichts.
    Wir taten nichts.
    Wir küssten uns nicht mal.
    Wir schliefen nur ein, vollständig angezogen, einer den andern in der Dunkelheit festhaltend.

|293| 18.   Kapitel
    A ls ich die Augen aufschlug, war das Zimmer in Tageslicht getränkt und Candy schlief ruhig auf meinem Arm. Ich wusste nicht, wie viel Uhr es war, doch es musste schon ziemlich spät sein. Draußen vor dem Fenster sangen die Vögel, die Luft war kalt und frisch, und weit weg in der Ferne hörte ich das leise
Tschanktschank
von jemand, der Holz hackte.
    Ich konnte den Arm nicht bewegen.
    Ich sah auf Candy herab. Sie schlief noch fest, lutschte versunken am Finger und ihr Kopf ruhte schwer auf meinem Arm. Eine Weile blieb ich still liegen und betrachtete ihr Gesicht, das verfärbte Auge, und fragte mich, wovon sie wohl träumte   … dann überlegte ich, wie ich meinen erstarrten Arm freibekommen könnte. Ich wollte sie nicht wecken, also versuchte ich, vorsichtig zu ziehen   … aber nichts geschah. Mein Arm war völlig taub. Ich versuchte die Finger zu beugen   … doch immer noch geschah nichts. Ich
hatte
keine Finger. Da war nur ein Haufen totes Fleisch, das aus meiner Schulter ragte, mit vorn ein paar spitzen Teilen dran.
    Ich lag wieder still da und dachte nach.
Vielleicht solltest du warten, bis Candy aufwacht   …
sagte ich mir.
    |294| Aber das wollte ich nicht.
    Es könnte unangenehm werden   …
    Also versuchte ich es wieder. Diesmal stützte ich mich auf eine Seite und nutzte das Gewicht meines Körpers, um den Arm unter Candys Kopf vorzuziehen, statt zu versuchen, den toten Arm selbst zu bewegen. Zuerst war das ein ziemlich komisches Gefühl, als ob ich etwas bewegte, das nicht zu mir gehörte. Aber als ich den Arm rührte und das Blut erst mal anfing, wieder zu fließen, kam allmählich auch das Gefühl zurück – ein angenehmes Stechen in meinen Fingerspitzen, eine prickelnde Erregung in meinem Arm   … Doch dann geschah noch etwas, etwas, das
nicht
so angenehm war. Als das Blut in meinen Arm zurückströmte, stachen plötzlich tausend glühend heiße Nadeln in meine Haut, elektrisierten mein Fleisch und ich erstarrte in Sekundenschnelle, biss die Zähne zusammen vor Schmerz, damit ich nicht plötzlich losschrie.
    Candy schlief unterdessen weiter.
    Sie hatte den Finger aus dem Mund genommen und lag da, die Lippen straff über den Zähnen, die Zunge locker gegen das Zahnfleisch gedrückt. Es war nicht die schönste Pose der Welt und doch lag etwas merkwürdig Anziehendes darin. Jedenfalls merkte ich, dass ich schon wieder ihr Gesicht anstarrte. Ich fragte mich, was es so schön machte – die Proportionen, die Formen, das Gewebe, die Knochen unter der Haut   …? Oder lag es einfach an mir? An meinen Augen, meiner Vorstellung, meiner Erwartung   …
    Meinen Gedanken?
    Nach einer Weile flatterten ihre Augenlider. Ich begriff, dass sie jeden Moment aufwachen konnte, und plötzlich wurde mir klar, wie peinlich es wäre, wenn sie die Augen aufschlug und mich dabei |295| erwischte, wie ich sie anstarrte   … Aber ehe ich reagieren konnte, atmete sie einen Stoß schaler Luft

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