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Candy

Candy

Titel: Candy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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nervösem Schweigen – halb dösend, halb wach, zwischendurch ein paar halbherzige Nichtigkeiten murmelnd   …
    Die Zeit verging weder langsam noch schnell: Sie verging einfach.
    Vierzig Minuten bis Ipswich, dann über den Bahnsteig in eine Zweiglinie, danach ein knochenaufreibendes eineinhalbstündiges Gerüttel bis nach Lowestoft, das schlotternde Warten auf ein Taxi und schließlich die zwanzigminütige Fahrt nach Orwold.
    »Ist es hier?«, fragte Candy hoffnungsvoll, als das Taxi vor dem Wald am Straßenrand anhielt.
    »Fast«, sagte ich. »Nur noch ein paar Minuten so etwa.«
    |280| Aber es stellte sich heraus, dass es ein bisschen länger dauern würde, denn der Taxifahrer weigerte sich, das letzte, unbefestigte Stück Weg den Wald hinunterzufahren.
    »Da fahr ich nicht rein, Kumpel. Keine Chance.«
    »Es sind nur ungefähr achthundert Meter«, sagte ich zu ihm.
    Er schüttelte den Kopf. »Tut mir Leid, Kumpel – der Wagen ist mein Lebensunterhalt. Ich kann’s mir nicht leisten, ihn zu Schrott zu fahren.«
    Ich versuchte ihm zu erklären, dass der Weg okay sei, aber er wollte nichts davon wissen. Also mussten wir zu Fuß durch den Wald, um halb zwei Uhr morgens. Zitternd, stolpernd und fluchend suchten wir unseren Weg durch die Dunkelheit. Es war schwierig und am Anfang auch ein bisschen unheimlich. Ich machte mir ständig Sorgen, wir könnten uns vertun, immer tiefer in den Wald hineinmarschieren und uns verlaufen   … Aber nach einer Weile, als sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, fühlte ich mich schon viel besser.
    Es war fast Vollmond, er überzog den Wald mit einem feinen silbernen Schein, und als ich die kristallklare Luft einatmete, spürte ich, wie ich wieder lebendig wurde. Ich fühlte die Stille der Nacht, das Rauschen der Bäume, den Duft der Kiefern, das ferne Wehen von Sand und Seegras an der Flussmündung   …
    Es war ein gutes Gefühl – rein und frisch und Kraft spendend.
    Fast wünschte ich, ich wäre allein.
    Aber das war ich nicht.
    Und Candy kämpfte noch   …
    »Joe?
Joe
… wo
bist
du?«
    »Hier   … ich bin direkt neben dir.«
    »Jesses – ist das dunkel.«
    |281| Ich legte meine Hand auf ihre Schulter. »Schon gut, wir sind gleich da.«
    »Scheiße«, murrte sie. »Ich seh gar nicht, wo ich hintrete.«
    »Probier mal, die Augen zu schließen«, schlug ich vor, »und dann öffne sie wieder.« Ich lächelte sie an. »Jemand hat mir mal gesagt, dass dann mehr Licht reinkommt.«
    »Echt?«, fragte sie. »Und das hast du geglaubt, ja?«
    »Ich bin leichtgläubig.«
    Wir gingen den Weg weiter und nach einer Weile erkannte ich ein paar Dinge wieder – einen umgestürzten Baum, eine auffällige Biegung des Wegs, ein wohl bekannter Umriss in der Landschaft, die im Mondlicht schimmerte   …
    »Gleich da vorn müsste es sein«, sagte ich.
    »Müsste?«
    »Na ja, es ist lange her   … warte – da ist es.«
    »Wo?«
    Ich blieb stehen und zeigte genau geradeaus. »Da   … gleich rechts von den Kiefern   … den beiden großen   … siehst du’s?«
    Candy blinzelte in die Dunkelheit und schüttelte den Kopf. »Ich seh gar nichts.«
    »Das dunkle Gebilde«, erklärte ich, »hinter den Bäumen. Du kannst das Dach sehen.«
    »Ich seh
lauter
dunkle Gebilde.«
    »Gleich siehst du’s«, sagte ich und ging weiter. »Komm   … gib mir deine Hand.«
    Und sie hatte ihre Hand in meine geschoben, ich hatte sie die letzten paar Meter den Weg hinuntergeführt, dann waren wir da – standen erschöpft und müde draußen vor dem Cottage, das im Mondlicht Schatten warf.
    |282| »Jetzt seh ich’s«, sagte Candy und lächelte dem Haus entgegen.
    »Sicher?«
    »Ja   … sieht echt nett aus.«
    »Hätte mal ein paar Reparaturen nötig«, sagte ich und warf einen Blick über das Gebäude. »Als Erstes müsste die Veranda gemacht werden.«
    »Lass uns einfach reingehen, hm?«
    Ich sah sie an.
    Sie sagte: »Ich meine, das ist alles sehr schön und so, aber ich erfriere und ich muss mal.«
    »Entschuldigung«, sagte ich. »Ich wollte nur mal schnell schauen, das ist alles. Morgen checke ich alles genauer. Sollte aber eigentlich alles in Ordnung sein.«
    »Joe?«
    »Was ist?«
    »Hörst du mal auf zu reden und öffnest die Tür?«
    »Ja, entschuldige.«
    Ich zog den Schlüssel aus meiner Tasche und entriegelte die Tür. Sie klemmte ein bisschen – vermutlich war sie vom Regen verzogen   –, aber ein paar Stöße dagegen und sie ging auf. Wir schauten hinein und sahen nichts als

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