Cantucci-Herzen brechen nicht: Roman (German Edition)
begriffsstutzig darauf starrte, bimmelte die Klingel über der Ladentür, und Francesca kam in die Küche gelaufen.
»Oh, Lillian!«, rief sie. »Oh, Amorucci!«
»Wir haben uns bereit erklärt, uns diese Woche um Francesca zu kümmern«, erklärte Violetta, während sie Mehl und Zucker auf den Tisch schüttete. »Und wir haben Ihren Rat beherzigt, die Borsolini- Porci mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Wir machen das Gleiche wie sie, nur in Herzform. Darum ist es gut, dass Sie hier sind.«
Francesca schlang die Arme um Lily und vergrub das Gesicht in den Falten ihrer weichen Kaschmirweste.
»Ja, gut, dass du hier bist«, bekräftigte sie.
Es gab für Lily nicht genügend Worte in welcher Sprache auch immer, um die komplizierte Mischung aus Schmerz und Freude zu beschreiben, die sie in diesem Augenblick durchströmte. Sie atmete ein paarmal tief durch, während sie den Erdbeerduft von Francescas Shampoo schnupperte und sich fragte, was sonst noch, abgesehen von den frisch gewaschenen Haaren, anders an ihr heute war.
»Hey, wo sind deine Flügel, Tinker Bell?«, fragte sie, als ihr bewusst wurde, was fehlte.
»Papa lässt sie reparieren«, antwortete sie. »Außerdem bin ich aus ihnen herausgewachst.« Sie löste die Arme von Lilys Taille und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen angesichts der Schüsseln mit getrockneten Früchten, Nüssen und Schokolade direkt vor ihr. »Backen wir die Amorucci jetzt?«
Die alten Frauen blickten Lily erwartungsvoll an, die spürte, wie die Ausstechform sanft ein weiches Herz in ihre Handfläche drückte.
»Hm, ja«, antwortete Lily. »Ich schätze schon.« Und sie tauchte die Hände in die Anfänge des ersten kommerziellen Schwungs Amorucci in der Pasticceria.
Was hätte sie auch sonst tun sollen? Sie war da, Francesca war da, die zerlassene Butter und die Preißelbeeren und das Zitronat waren da. Es machte einfach Sinn, direkt loszulegen und es hinter sich zu bringen. Außerdem, während eine Stunde nach der anderen verstrich und sie rührte und backte und kühlte und schnitt und wieder backte und kühlte und kostete, war sie abgelenkt von ihrer Traurigkeit und Verwirrung, und in ihrem Gesicht erschien sogar ein Lächeln. Sie wusste nicht so recht, was es dort zu suchen hatte, aber es kehrte immer häufiger zurück.
Später am Abend suchte Lily das Internetcafé an der Piazza grande auf und schickte eine E-Mail an Heigelmann, in der sie erklärte, dass sie wegen dringender Familienangelegenheiten in Italien aufgehalten werde und dass mit ihrer baldigen Rückkehr nicht zu rechnen sei. Sie hätte anrufen sollen, eine E-Mail war keine angemessene Form für diese Art von Mitteilung. Aber sie konnte sich schlichtweg nicht vorstellen, ihrem Geschäftsführer zu erklären, dass sie in Italien war und Kekse backte mit dem unehelichen Kind ihres Mannes und einer uralten erpresserischen Wirtin, ohne lachen zu müssen. Es war schließlich zum Lachen, aber eine unerklärlich gute Art zu lachen.
Da Lily nie viel Zeit in der Küche verbracht hatte, war es für sie eine Überraschung, wie behaglich es dort sein konnte. Und das einfache Verfahren, ganz alltägliche Zutaten zu mischen und daraus etwas Neues und Köstliches zu kreieren, inspirierte sie ständig aufs Neue. Es war so unkompliziert. Und Francesca wurde nicht müde, ihr zu helfen. Zusammen stellten sie ein Blech köstliche Amorucci nach dem anderen her. Sie waren in ihrer eigenen Welt.
Nach ein paar Tagen hatten sie genügend Amorucci gebacken, um damit sämtliche Schüsseln in der Pasticceria zu füllen, und Lily überredete Violetta, mit ein bisschen Unterstützung von Luciana, tatsächlich Kunden in den Laden zu lassen.
Am ersten richtigen Eröffnungstag gingen nicht viele Touristen an dem Laden der Borsolinis vorbei. Tatsächlich, soweit Lily das einschätzen konnte, schien die Konditorei der Ferrettis ausschließlich von kleinen alten Damen wie den Schwestern besucht zu werden. Sie kauften nichts, sondern gaben sich mit den Kostproben zufrieden, die Lily und Francesca ausgelegt hatten. Und obwohl sie kein Geld in die Kasse brachten, wurden die Touristen bald auf den Pulk in der Pasticceria aufmerksam und trudelten nach und nach ein, um Amorucci zu kaufen.
»Wir sind wettbewerbsfähig«, sagte Violetta zu Lily, während sie Francesca beobachtete, die gerade das Wechselgeld an eine beeindruckend kräftige Ausländerin herausgab, die sechs Tüten gekauft hatte, jede mit einer anderen Geschmacksrichtung. Es war
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