Cantucci-Herzen brechen nicht: Roman (German Edition)
bis Eugenia sich wieder erholt hat. Aber niemand kann sagen, wie lange das dauern wird, und ich muss irgendwann nach New York zurück, um Wein zu verkaufen, damit ich mir das überhaupt leisten kann. Anderenfalls gibt es eine Tante in der Nähe von Orvieto, aber dann müsste Francesca die Schule wechseln, und sie hat sich schon hier in Montevedova sehr schwer getan, darum …«
Beide starrten hinaus auf die atemberaubend schönen, sich bis an den Horizont erstreckenden grünen Hügel des Val d’Orcia. Der Himmel schimmerte perlmuttrosa im Sonnenuntergang. Es war unglaublich friedlich.
»Francesca hat ihre Flügel abgelegt«, sagte Daniel in das Schweigen. »Ich habe sie gefragt, ob ich sie zur Näherin bringen soll, wie ich sie schon hundertmal zuvor gefragt habe im vergangenen Jahr. Doch dieses Mal hat sie sie einfach abgenommen und mir gegeben.«
Lily lächelte. »Ja, sie hat es mir erzählt. Sie sagt, sie ist aus den Flügeln ›herausgewachst‹.«
»Das hat sie dir erzählt?«
Lily nickte und biss sich auf die Unterlippe, während sie insgeheim betete, dass Daniel nicht gleich sagte, was für eine tolle Mutter sie abgeben würde. Sie könnte es nicht ertragen. Aber er sagte es nicht.
»Denkst du manchmal an Grace?«, fragte sie ihn aus heiterem Himmel. »Wenn du an Francesca denkst oder von ihr sprichst oder sie ansiehst, denkst du dann auch an Grace?«
»Natürlich«, antwortete er.
»Ich muss mich ständig fragen, was sie jetzt wohl macht. Wie sie in der Schule zurechtkommt, wie es ihrer Mutter … wie es Brittany geht.«
Daniel schwieg einen Moment, dann drehte er den Kopf, mit nervösen grünen Augen, um sie anzusehen.
»Ich weiß nicht, ob wir eine gemeinsame Zukunft haben, Lily, ob du mir noch eine Chance geben wirst, aber egal was passiert, ich möchte nicht, dass es weitere Geheimnisse zwischen uns gibt.«
»Es gibt noch mehr? Bitte, Daniel, ich weiß nicht, ob …«
»Brittany hat ein Studium abgeschlossen«, sagte Daniel. »Sie ist jetzt Lehrerin, wie sie es sich immer gewünscht hat. Sie hat vor ein paar Jahren geheiratet. Ihr Mann hat zwei kleine Töchter in die Ehe gebracht, mit denen Grace sich gut zu verstehen scheint. Sie ist ein kluges Kind, sie bekommt gute Noten, sie macht gerne Sport, sie geht zum Ballettunterricht, sie ist allergisch gegen Nüsse, sie spielt Klavier, und sie wünscht sich ein Pony, darf aber nur eine Katze haben.«
Lily begann zu weinen.
»Ich hätte es dir sagen sollen«, fuhr Daniel fort. »Ich habe einen Privatdetektiv beauftragt, der mir alle sechs Monate einen Bericht geschickt hat nach unserer Rückkehr aus Tennessee. Ich hätte das nicht tun sollen. Aber ich wollte Bescheid wissen und sichergehen, dass die Kleine glücklich ist, damit ich es dir sagen kann und du auch glücklich bist. Aber es gab nie den richtigen Zeitpunkt dafür. Ich habe es dir nicht gesagt. Und ich habe dich nicht glücklich gemacht, obwohl ich das wollte.«
»Was noch?«, fragte Lily. »Was weißt du noch über Grace?«
»Sie ist recht klein für ihr Alter, sie hat dunkle Haare, sie fährt ein rosarotes Fahrrad.«
»Nun, ich hoffe, sie trägt einen Helm.«
»Das tut sie. Er ist auch rosa, mit roten Riemen. Ich habe ein Foto …«
»Oh, Daniel …«
Er rückte seinen Stuhl näher an sie heran, aber er wusste, dass es nicht ratsam war, sie anzufassen, also gab er ihr stattdessen eine Papierserviette, damit sie sich die Tränen trocknen konnte. Die beiden jungen Frauen am Nachbartisch blickten zu Lily herüber und begannen zu tuscheln, aber es kümmerte sie nicht.
»Ich kann nicht glauben, dass du das getan hast«, sagte sie, nachdem sie sich schließlich wieder gefangen hatte. »Ich kann nicht glauben, dass du die kleine Grace hast beschatten lassen.«
»Ich weiß, und es tut mir leid.«
»Nein, das braucht dir nicht leidzutun.« Sie kämpfte wieder mit den Tränen. »Du hast mich glücklich gemacht, Daniel«, sagte sie. »Früher einmal hast du mich glücklich gemacht.«
»Ich glaube, das könnte ich wieder tun«, sagte er verzweifelt. »Wenn du mir nur die Chance dazu geben würdest.«
»Das ist zu viel verlangt. Ich weiß nicht, wie ich das machen soll.«
»Ich könnte dir dabei helfen«, sagte er.
»Ich glaube nicht, dass Verzeihen so funktioniert.«
»Nun, sollte es aber.«
»Aber so funktioniert es nicht. Was geschehen ist, ist geschehen.« Lily stand auf und tupfte sich ein letztes Mal das Gesicht ab, bevor sie ihm die zerknüllte Papierserviette
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