Cantucci-Herzen brechen nicht: Roman (German Edition)
war ihr Instinkt, heil und unversehrt, der ihr sagte, was richtig war.
»Ja, das trifft beides zu«, gluckste sie. »Meine Damen, nehmt eure Plätze ein.«
50
Sie hätte sofort eins und eins zusammenzählen sollen in dem Moment, als ihre Eingeweide nicht reagierten auf das Gebrüll des pummeligen Babys auf der Piazza.
Lily war müde, sie war blass, ihre glatte Haut war ungewöhnlich pickelig, sie hatte Kopfschmerzen, sie hatte empfindliche Brüste. Immerhin kannte sie die meisten dieser Symptome schon von früher. Aber sie hatte den Nachmittag auf Alessandros Couch aus ihrem Gedächntnis gestrichen, darum kam ihr erst in den Sinn, dass sie schwanger sein könnte, als ihre Periode ausblieb.
Aber sie war schwanger.
Sie wusste es einfach. Das Timing, die Übelkeit, die enorme Absurdität von allem. Es musste so sein! Trotzdem lief sie zu der Apotheke unten in der Stadt, um die neugierigen Blicke zu meiden in der anderen, gut bevölkerten Apotheke, die näher an der Pasticceria lag, und kaufte einen Schwangerschaftstest. Er war positiv. Also lief sie zurück und kaufte zwei weitere. Alle drei sagten dasselbe, aber das mussten sie gar nicht – Lily spürte es. Sie spürte es in ihrer Haut, in ihren Haaren, in ihren Augen. Sie spürte es überall.
Und dieses Mal flüsterte eine Stimme in ihr, dass der kleine Engel, der sich bereits eingenistet hatte, trotz der Komplikationen, die er mit sich bringen würde, sehr hart hatte kämpfen müssen, um so weit zu kommen, und dass er genauso hart weiterkämpfen würde bis zum Ende. Beziehungsweise bis zum Anfang. Diesen kleinen Engel, glaubte Lily ganz fest, durfte sie behalten.
Während sie in dem engen Bad saß, das dritte positive Teststäbchen in der Hand, durchströmte sie das unglaubliche, unfassbare Wunder, beginnend bei ihren Zehen, verharrte dann einen Moment und drehte sich um das winzige neue Leben, das in Lilys Körpermitte wuchs, um schließlich an ihrem chaotischen Herzen vorbei hochzuschießen zu ihrem schwirrenden Kopf.
Sie erwartete Alessandros Baby.
Es war ein Desaster. Ein wunderbares, erstaunliches, schreckliches, freudiges, furchtbares, außergewöhnliches Desaster.
Es gab so vieles, was dagegen sprach! Alessandro wollte kein Kind. Sie kannten sich ja kaum. Lily hatte ihn nicht einmal wiedergesehen seit dieser überaus wundersamen Empfängnis. Und sie wollte genauso wenig ein Baby von Alessandro, wie er es garantiert nicht von ihr wollte.
Außerdem waren da ihr Alter, ihre Karriere, ihre Ehe, der Umstand, dass sie in Italien war und versprochen hatte, Francesca zu helfen, den Ferretti-Schwestern, mit den Amorucci …
Es gab so vieles, was dagegen sprach. Aber das Kaleidoskop der Komplikationen wurde in den Schatten gestellt von dem, was dafür sprach. Lily wollte dieses Baby. Sie wollte es mehr als alles andere in der Welt. Sie hatte sich dieses Baby immer gewünscht.
Sie ging zu ihrem Panoramafenster und setzte sich auf die Fensterbank, während sie beobachtete, wie die absurd schöne Landschaft sich aus ihrem schläfrigen Zustand schälte, so wie sie das jeden Morgen tat. Lily lachte in sich hinein, verzückt, und biss sich dann auf die Unterlippe, um nicht zu weinen. Sie wünschte sich dieses Kind mehr als alles andere auf der Welt.
»Lillian!«, hörte sie Francesca aus der Küche rufen. »Wo bist du, Lillian?«
»Ich bin hier oben, Herzchen«, rief sie zurück. »Komm mich doch mal besuchen.«
Das Klappern von Francescas Schritten auf der schmalen Treppe ließ Lilys bereits überquellendes Herz noch weiter anschwellen, und als Francesca ins Zimmer stürmte und auf sie zurannte, konnte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten.
»Was ist?«, fragte Francesca erschrocken, während sie in Lilys Arme fiel. »Bist du traurig?«
»Nein, Schatz, ganz und gar nicht. Ich bin glücklich. Ich weiß, es hört sich dumm an, aber Erwachsene weinen manchmal, wenn sie glücklich sind.«
»Warum bist du glücklich?«
Lilys Leben war so weit von ihrem perfekten Traumbild entfernt, dass es lachhaft war. Das Bild von dem Kinderknäuel, das sich um sie und Daniel drängte, während sie zusammen alt wurden, verlor sich im Dunst ihrer zerbrochenen Ehe.
Und trotzdem hatte Lily das denkbar Ähnlichste zu einer Tochter gefunden und würde nun, endlich, so Gott und alle Heiligen wollten, Mutter werden.
»Ich weiß nicht«, sagte sie zu Francesca und drückte sie kurz. »Ich bin es eben.«
»Komm«, sagte Francesca und streckte die Hand aus. »Du musst für die
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