Cantucci-Herzen brechen nicht: Roman (German Edition)
an die Liebe und keine mehr als Violetta, aber in den letzten Jahren hatte es den Anschein, dass die Happy Ends immer schwieriger wurden. Hinzu kam, dass die Anzahl der Ligamitglieder– aufgrund natürlichen Verschleißes– auf ein glattes Dutzend geschrumpft war.
Die moderne Technik half, die Ausfälle bis zu einem gewissen Grad zu überbrücken. Sobald das Kribbeln und Pochen und der Duft sich bemerkbar machten, schwenkte Luciana ein Tuch aus ihrem Schlafzimmerfenster, das Signal für die Witwe Ciacci, die gegenüber wohnte und ein Handy hatte. Ihre Aufgabe war es, die Witwen, die noch ihre Augen und Finger benutzen konnten, zu informieren, dass eine außerordentliche Versammlung einberufen wurde. Dies ersparte alternden Körpern, die steilen Gassen in Montevedova hinauf- und hinabzutrippeln, an Türen zu klopfen und vor Fenstern zu pfeifen, wie es früher gehandhabt wurde. Da das Durchschnittsalter der Liga gefährlich nah bei zweiundneunzig lag, war das nicht länger machbar.
Heute hatten sich die meisten Witwen bereits versammelt, als die Schwestern eintrafen. Die anderen benutzten den zweiten Geheimeingang hinter dem Taufbecken in der Kirche, die hinter der Pasticceria war. Acht von ihnen saßen auf Holzstühlen mit hohen Rückenlehnen, während die neunte– die Witwe Rossellini– friedlich schlief und leicht sabberte aus dem halben Lächeln, das sie im Gesicht trug, als sie eingenickt war.
» Buon giorno!«, riefen die, die wach waren, als die Schwestern hereinschlurften.
» Wo ist die Witwe Del Grasso?«, fragte Violetta. Die Erfahrung hatte sie gelehrt, dass allgemeine Schwierigkeiten bei Abwesenheit eines Ligamitglieds auftraten, wenn Anweisungen erteilt wurden. Selbst in den besten Zeiten funktionierte nur die Hälfte der Ohren in der Liga, zwei Drittel der Augen waren schwach, und man konnte nicht gerade behaupten, dass eine von ihnen sich durch ein gutes Gedächtnis auszeichnete. Sie erzielten ihre besten Ergebnisse, wenn sie vollzählig waren und die Sitznachbarin fragen konnten, was gerade gesagt worden war und was von ihnen erwartet wurde.
» Ich habe ihr ganz sicher eine SMS geschickt«, sagte die Witwe Ciacci.
» Witwe Mazzetti, kannst du gleich dafür sorgen, dass Del Grasso einen Zahn zulegt?«, fragte Violetta. Die Witwe Mazzetti nickte eifrig. Sie war noch recht gut zu Fuß und liebte es, Botengänge zu machen.
» Was den Rest von euch betrifft, heute ist der Tag. Also diejenigen von euch, die noch sehen können, halten die Augen offen. Diejenigen, die noch hören können, halten die Ohren offen. Und diejenigen, die schlafen, bleiben, wo sie sind.«
Alle blickten auf die dösende Witwe Rossellini, die völlig entspannt gehorchte.
» Jede Aktivität, die zur Indentifizierung eines vermeintlichen Calzino -Kandidaten führt, muss entweder hier oben der Witwe Ciacci gemeldet werden oder– Witwe Ercolani, hast du heute Dienst im Fremdenverkehrsbüro?«, fragte Violetta. » Gut. Oder der Witwe Ercolani dort unten. Witwe Pacini wird zwischen den beiden im Eingang von ihrem Alimentare Posten beziehen. Alle anderen möchte ich bitten, die üblichen Plätze in euren Hauseingängen einzunehmen. Lasst uns beten zur Santa Ana di Chisa, dass der Tag glatt läuft.«
In diesem Moment klopfte es verstohlen an der Tür, und jemand sprang auf, was sich nicht so schnell vollzog, wie es sich anhört, und machte auf.
Es war die zwölfte Witwe, die Witwe Del Grasso. Und sie war nicht alleine.
5
Mit Angstflattern in der Brust stürzte Lily in das Arbeitszimmer, das Daniel und sie sich teilten und das früher einmal » Kinderzimmer« hieß, aber mittlerweile umgetauft worden war in » Bibliothek«.
Der Computer war eingeschaltet. Eine leere Weinflasche und ein Glas standen auf dem Tisch neben einem gelben Notizblock, der vollgekritzelt war mit Zeiten und Zielen. Die leere Weinflasche gab Anlass zur Sorge, denn in der Küche stand noch eine.
O nein, flehte Lily stumm. Oh, bitte, bitte nicht.
Sie setzte sich und klickte die erste ungelesene Nachricht in ihrem Posteingang an.
Es war eine Bestätigung für einen Flug nach Rom, der heute Nachmittag um Viertel nach fünf am JFK startete. Business Class. Nicht erstattungsfähig.
Schlimmer noch, die zweite ungelesene Nachricht stammte von einem Autoverleiher, der die Reservierung für einen Mietwagen – mit Gangschaltung! – am Flughafen Fiumicino bestätigte.
Die dritte ungelesene Mail war vom Hotel Prato in Montevedova, das ihre Zimmerreservierung
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