Cantucci-Herzen brechen nicht: Roman (German Edition)
ein Rütteln an der Tür der Pasticceria.
» Na, bitte«, sagte Violetta grummelnd, als zwei dänische Rucksacktouristen in den Laden hereinpolterten und sich den Cantucci -Schüsseln näherten.
Die beiden Schwestern begannen sofort zu zischen wie ein kaputtes Dampfrohr, während Luciana mit ihrer Schürze nach den überraschten Touristen wedelte und Violetta kopfschüttelnd leise vor sich hin schimpfte, bevor sie zu den riesigen Dänen humpelte und sie zurückscheuchte zu der Glastür, durch die sie gerade gekommen waren.
Diese kapierten recht schnell und stolperten wieder hinaus auf die Straße, wo sie einen Moment lang verdattert herumstanden, während Violetta weiter fortscheuchende Gesten machte, als hätte sie große, gut aussehende, blonde Menschen gründlich satt, die ausgerechnet Cantucci kaufen wollten in einem Cantucci -Laden in ihrer bezaubernden Heimatstadt Montevedova. Ridicolo!
» Ich finde, wir könnten das Türschild auch umdrehen auf › GESCHLOSSEN ‹«, schlug Luciana vor.
» Nichts da! Wir wollen ja nicht, dass unsere Cantucci so leicht zu kriegen sind wie diese Borsolini- Cacca. Solange die Leute bei uns kaufen wollen und wir sie daran hindern, behalten wir die Oberhand.«
Violetta überprüfte, ob das Schild » GEÖFFNET « anzeigte, und verriegelte die Tür, damit niemand mehr hereinkonnte, bevor die beiden Schwestern zu einem staubigen Regal an der hinteren Wand im Laden schlurften.
Mit nicht geringer Anstrengung drückten und schoben sie gegen das schulterhohe Regal, bis die ganze Konstruktion zur Seite glitt und eine geheime Treppe hinter der Wand offenbarte.
» Bist du bereit?«, fragte Violetta. Luciana nickte, und sie begannen den Abstieg, während sie auf allen drei Treppenabsätzen verschnaufen mussten, um sich anschließend weiter vorwärtszuarbeiten durch einen schmalen Gang, bis sie sich vor einer großen Holztür wiederfanden, an die Violetta ein kompliziertes Klopfzeichen trommelte, bevor sie sie aufschob.
Die beiden alten Damen betraten die warme, einladende, von Laternen erhellte Behaglichkeit eines großen, gemütlichen Raums. An den Wänden aus dunkler Eiche hingen mittelalterliche Teppiche, zwischen denen halb restaurierte Fresken hervorspähten, während am hinteren Ende des Raums drei Lavalampen zäh vor sich hin rülpsten in dem riesigen offenen Kamin. Ein Tisch unter einem Wandfresko, das nur dadurch bemerkenswert war, dass jeder darauf– sogar die Lämmer und die Esel– rote Haare hatte, barg eine Karaffe mit süßem Vin Santo und ein Dutzend kleine Kristallgläser.
Dies war das Hauptquartier der Lega Segreta de Rammendatrici Vedove – die Geheime Liga der verwitweten Stopferinnen.
Die Schwestern hatten die Liga ursprünglich ins Leben gerufen, um die Leere zu füllen, nachdem ihre Ehemänner gestorben waren, die Zwillinge Salvatore und Silvio. Die beiden waren fern der Heimat in Ostafrika während des Zweiten Weltkriegs gefallen.
In der Trauer um ihre Männer, die sie vergöttert hatten, stopften sie Loch um Loch in Spitzen und Fersen diverser Socken und gewannen binnen weniger Monate Dutzende von verwitweten Mitstreiterinnen dazu.
Daraufhin versuchten die überlebenden Männer von Montevedova mitzumischen und tauchten zu den Versammlungen auf, um sich mit Grappa volllaufen zu lassen und langatmige Geschichten über Dinge auf den Schlachtfeldern zu erzählen, die sie wahrscheinlich nie getan oder erlebt hatten.
Die Witwen fanden es traurig, dass die Männer, die sie verloren hatten, von der guten Sorte waren, während die Männer, die noch übrig waren, furchtbar nervten. Daraufhin lösten sie die offene Liga auf, annektierten den Keller unter der Kathedrale, als die Gemeinde kurzfristig ohne Priester war, und gründeten die geheime Liga neu.
Sie beschlossen ferner, dass das Strumpfstopfen ein kleines bisschen langweilig war und man dafür nicht extra eine Liga brauchte und dass das Streben nach wahrer Liebe– die Sorte, die sie glücklicherweise alle erlebt hatten und immer noch schätzten– viel menschenfreundlicher war. Mit anderen Worten, sie beschlossen, Herzen zu flicken statt öde Socken.
Wenn Violettas Nase kribbelte, Lucianas Zeh pochte und der Duft von Orangenblüten die Luft erfüllte, bedeutete das, dass ein neuer Calzino rotto – der Geheimcode für ein gebrochenes Herz– bald ihren Weg kreuzen würde. Das Kunststück war, den Calzino rotto so rasch wie möglich zu identifizieren und zu flicken.
Die Witwen glaubten von ganzem Herzen
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