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Capitol

Capitol

Titel: Capitol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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freundliches Benehmen zu wahren, obwohl ihm das Blut aus der Nase tropfte. »Wenn wir Sie erst oft genug getötet haben, werden Sie völlig anderer Ansicht sein.«
    »Die Wahrheit läßt sich nicht ändern!«
    »Wir haben sie bisher für jeden geändert, der dies durchgemacht hat. Und Sie sind wirklich nicht der erste, für den wir einen dritten Klon benötigen. Aber diesmal, Mr. Crove, sollten Sie lieber erst gar nicht versuchen, den Helden zu spielen.«
     
    *
     
    Sie häuteten ihn bei lebendigem Leibe, zuerst Arme und Beine. Endlich kastrierten sie ihn und rissen ihm dann die Haut von Bauch und Brust. Er starb stumm, als sie ihm den Kehlkopf herausgeschnitten – nein, nicht stumm. Nur ohne Stimme. Er stellte fest, daß er auch ohne Stimme einen Schrei flüstern konnte, der ihm beim Erwachen in den Ohren hallte, als er gezwungen wurde, hineinzugehen und seine blutige Leiche beiseite zu schaffen. Wieder gestand er, und wieder konnte er die Zuhörer nicht überzeugen.
    Sie quetschten ihn langsam zu Tode, und als er erwachte, mußte er die blutigen Reste aus dem Gerät wischen, aber der Kommentar der Zuhörer lautete nur: »Wen glaubt der Trottel denn zum Narren halten zu können?«
    Sie setzten ihn auf einen spitzen Pfahl, bis er an der Schulter wieder herauskam, und als es vorbei war, mußte er die Leiche vom Pfahl herunterheben. Die Zuhörer gähnten. Sie wurden unruhig. »Er gibt sich solche Mühe, uns zu überzeugen«, war der Kommentar einer Frau. »Aber von ihm würde ich nicht einmal einen Gebrauchtwagen kaufen.«
    Sie weideten ihn aus und verbrannten seine Gedärme vor seinen Augen. Sie infizierten ihn mit Tollwut und ließen ihn wochenlang sterben. Sie kreuzigten ihn, und er starb an Durst und Unterkühlung. Sie warfen ihn ein dutzendmal vom Dach eines einstöckigen Gebäudes, bis er starb.
    Dennoch wußten die Zuhörer, daß Jerry Crove nicht bereut hatte.
    »Mein Gott, Crove, wie lange denken Sie, daß ich das noch tun kann?« fragte der Ankläger. Er wirkte gar nicht mehr heiter. Jerry fand sogar, daß er einen fast verzweifelten Eindruck machte.
    »Es wird Ihnen wohl langsam ein wenig zu schwierig?« fragte Jerry, der für diese Unterhaltung dankbar war, denn sie bedeutete eine kurze Zeitspanne zwischen den Toden.
    »Für was für einen Mann halten Sie mich? Wir bringen ihn in einer Minute ohnehin wieder ins Leben zurück, sage ich mir dauernd, aber ich habe diese Arbeit doch nicht angenommen, um neue, gräßliche Todesarten für Menschen auszudenken.«
    »Es gefällt Ihnen also nicht? Dabei haben Sie solch ein natürliches Talent dafür.«
    Der Ankläger sah Jerry scharf an. »Ironie? Sie können jetzt noch scherzen? Bedeutet Ihnen der Tod denn nichts?«
    Jerry antwortete nicht und versuchte, die Tränen zurückzuhalten, die seit einiger Zeit alle paar Minuten von selbst zu fließen begannen.
    »Crove, dies ist nicht billig. Denken Sie vielleicht, daß es nichts kostet? Wir haben buchstäblich Milliarden von Rubeln für Sie ausgegeben. Und trotz der Inflation ist das ein ganzer Haufen Geld.«
    »In einer klassenlosen Gesellschaft braucht man kein Geld.«
    »Was ist denn das, verdammt? Jetzt werden Sie aufsässig? Jetzt versuchen Sie, den Helden zu spielen?«
    »Nein.«
    »Kein Wunder, daß wir Sie siebenmal töten mußten! Sie denken sich immer wieder schlaue Argumente gegen uns aus!«
    »Das tut mir leid. Der Himmel weiß, daß es mir leid tut.«
    »Ich habe beantragt, von dieser Aufgabe entbunden zu werden. Ich kann Sie offenbar nicht knacken. Vielleicht schafft es ein anderer.«
    »Mich knacken! Als ob ich mich danach nicht geradezu sehnte.«
    »Sie kosten zuviel. Es ist von großem Nutzen, wenn Kriminelle öffentlich über Fernsehen widerrufen. Aber Sie werden zu teuer. Das Kosten-Nutzenverhältnis ist mittlerweile schon lächerlich. Unseren Ausgaben für Sie sind Grenzen gesetzt.«
    »Ich wüßte, wie ich Ihnen Geld sparen könnte.«
    »Ich auch. Überzeugen Sie die verdammten Zuhörer!«
    »Wenn Sie mich das nächste Mal umbringen, setzen Sie mir doch einfach keinen Helm auf.«
    Der Ankläger sah ihn absolut schockiert an. »Das wäre endgültig. Das wäre die Todesstrafe. Wir sind eine humane Regierung. Wir töten nie jemanden endgültig.«
    Sie schossen ihm in den Leib und ließen ihn verbluten. Sie warfen ihn von einem Felsen ins Meer. Sie ließen ihn lebendig von einem Hai fressen. Sie hängten ihn an den Füßen auf, so daß nur sein Kopf unter Wasser war, und als er vor Ermüdung den Kopf

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