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Capitol

Capitol

Titel: Capitol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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Bleistiftstrich zu Papier.
    Als er neun war, hatte Bergen keine Lust mehr zu malen und entließ seinen Lehrer. Er wollte jetzt reiten lernen, Jahre früher als andere Kinder. Aber er bestand darauf, und sein Vater kaufte zwei Pferde; also ritt Dal zusammen mit Bergen.
    Man macht es sich zu leicht, wenn man die Kindheit als Idylle schildert, denn ganz gewiß gab es auch Ärger, wenn Bergen und Dal nicht einer Meinung waren. Aber diese Anlässe lagen bald unter einer Lawine neuer Eindrücke begraben, so daß sie bald vergessen waren. Ihre Ausritte führten sie weit vom Haus seines Vaters weg. Aber sie hätten seines Vaters Land in keiner Richtung verlassen können, wenn sie noch am selben Tag zurückreiten wollten.
    Und weil Bergen oft stundenlang nicht daran dachte, daß er der Erbe war und Dal nur ein vertraglich beschäftigter Diener, wurden sie Freunde. Gemeinsam gossen sie heißes Wachs auf eine Treppe, was Bergens Schwester fast umbrachte, als sie darauf ausglitt – und stoisch nahm Bergen die ganze Schuld auf sich, da er lediglich Stubenarrest bekommen würde, während man Dal verprügelt und entlassen hätte. Gemeinsam versteckten sie sich im Gebüsch und beobachteten ein Paar, das nackt hergeritten war, im Sand am Rande des Felsens beim Kopulieren – tagelang staunten sie noch darüber, daß es dies war, was Bergens Eltern hinter verschlossenen Türen trieben. Gemeinsam schwammen sie in jedem gefährlichen Wasserloch und legte an allen nur denkbaren Ecken Feuer, wobei sie einander so oft das Leben retteten, daß sie nicht mehr wußten, wer vorn lag.
    Und als Bergen vierzehn war, erinnerte er sich daran, daß er als Junge gemalt hatte. Ein Onkel, der auf Besuch war, sagte: »Und dies ist Bergen, der Junge, der malt.«
    »Sein Malen war nur eine kindliche Laune«, sagte Bergens Mutter. »Er ist ihr entwachsen.«
    Bergen war es nicht gewohnt, mit seiner Mutter böse zu sein. Aber mit vierzehn lassen wenige Jungs das Wort kindlich ohne tiefen Groll auf sich anwenden. Bergen sagte sofort: »Wirklich, Mutter? Wie kommt es denn, daß ich immer noch male?«
    »Wo?« fragte sie ungläubig.
    »In meinem Zimmer.«
    »Dann zeig mir einige deiner Arbeiten, du kleiner Künstler.« Das Wort klein machte ihn ebenfalls wütend.
    »Ich verbrenne sie. Sie stellen noch nicht meine besten Arbeiten dar.«
    Jetzt lachten seine Mutter und sein Onkel schallend, und Bergen rannte in sein Zimmer, Dal als Schatten hinterher.
    »Wo, zum Teufel, ist das Zeug?« fragte Bergen ärgerlich und suchte in dem Regal, wo das Zubehör gelegen hatte.
    Dal hustete. »Bergen, Sir«, sagte er (mit zwölf Jahren war Bergen halb volljährig geworden, und es war Gesetz, daß er von jedem Diener, der mit ihm oder seinem Vater einen Vertrag hatte, Sir genannt werden mußte), »ich dachte, du brauchst die Malutensilien nicht mehr. Ich habe sie.«
    Bergen drehte sich erstaunt um. »Ich habe sie nicht mehr gebraucht, aber ich wußte nicht, daß du sie gebraucht hast.«
    »Es tut mir leid, Sir. Aber als der Lehrer noch kam, hatte ich wenig Gelegenheit zu malen. Seitdem habe ich das Material gebraucht.«
    »Hast du alles aufgebraucht?«
    »Das Papier ist alle, aber da ist noch eine Menge Leinwand. Ich hole sie.«
    Er ging und holte alles, wobei er zweimal laufen mußte. Als er die Sachen in das große Haus brachte, benutzte er die hintere Treppe, denn Bergens Eltern sollten ihn nicht sehen. »Ich dachte, es würde dir nichts ausmachen«, sagte Dal, als wieder alles an Ort und Stelle war.
    Bergen sah ihn verblüfft an. »Natürlich macht es mir nichts aus. Es ist nur, daß die alte Henne es sich in den Kopf gesetzt hat, daß ich immer noch ein Kind bin. Ich werde wieder malen. Ich weiß nicht, warum ich je damit aufgehört habe. Ich wollte immer Künstler werden.«
    Und er stellte die Staffelei ans Fenster, so daß er nach unten auf den Hof hinausschauen konnte, der mit den eleganten Peitschenbäumen bestanden war, die auf Crove wuchsen und bis zu fünfzig Meter hoch wurden – um sich bei Sturm dann bis auf den Boden zu neigen, so daß jeder Farmer befürchten mußte, daß ihm bei Wind ein solcher Baum auf das Haus krachte. Es begann mit einer Grundierung in Blau und Grün, und Dal schaute zu. Hin und wieder zögerte Bergen, aber er konnte noch malen, und seine lange Abstinenz von der Kunst hatte ihm nicht geschadet. Sein Auge war genauer. Die Farben waren leuchtender. Aber dennoch – er war Amateur.
    »Vielleicht etwas mehr Magentarot am Himmel unter den

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