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Capitol

Capitol

Titel: Capitol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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Einfälle in Sibirien.
    Er verhielt sich wie ein Esel.
    Und das Gefüge eines gut organisierten Reiches begann zu wanken. Das sanfte Surren des Telefons drang aus dem elastischen, in sein Kissen eingenähten Sprecher, und Herman wurde wach. Ohne die Augen zu öffnen sprach er ins Kissen: »Ich schlafe. Fahren Sie zur Hölle.«
    »Hier ist Grey.«
    »Sie sind gefeuert, Grey.«
    »Doon sagt, daß er sich mit Ihnen treffen will.«
    »Sagen Sie meinem Sekretär, er soll ein solches Treffen arrangieren.«
    »Geht nicht. Er sagt, daß er Sie nur sehen will, wenn Sie innerhalb von dreißig Minuten an der U-Bahn-Station C24b sein können.«
    »Das ist ja nicht mal in meinem Sektor«, beschwerte sich Herman.
    »Er will es Ihnen wohl nicht gerade leichtmachen.«
    Ächzend stand Herman aus dem Bett auf, zog einen alles andere als eleganten Anzug an und stapfte schwerfällig aus der Wohnung in die Korridore hinaus. Um diese frühe Stunde fuhren die U-Bahnen mit halber Frequenz, und Herman stolperte in einen Zug, der in Richtung Haltestelle C24b fuhr. Dort war sogar noch weniger Betrieb als in Hermans eigener Gegend, und auf dem Bahnsteig wartete ein nicht sonderlich angenehm wirkender junger Mann, der nur wenig größer als Herman war. Er war allein.
    »Doon?« fragte Herman.
    »Großvater«, antwortete der junge Mann. Herman sah ihn verblüfft an. Großvater?
    »Abner Doon, Hengstfohlen aus Stute Sylvaii, Tochter von Herman Nuber und Birniss Humbol. Ein hervorragender Stammbaum, finden Sie nicht auch?«
    Herman war entsetzt. Nach all den einsamen Jahren mußte er feststellen, daß sein junger Peiniger ein Verwandter war –
    »Verdammt, Junge, ich habe keine Familie. Was soll das bedeuten? Rache für die Scheidung, die vor hundert Jahren erfolgte? Ich habe deine Großmutter großzügig abgefunden. Wenn du überhaupt die Wahrheit sagst.«
    Abner Doon lächelte nur. »In Wirklichkeit, Großvater, interessieren mich deine Beziehungen oder Nichtbeziehungen zu meiner Großmutter einen Dreck. Ich mag sie sowieso nicht, und wir haben jahrelang nicht miteinander gesprochen. Sie sagt, ich bin zu sehr nach dir geraten. Und heute besucht sie mich nicht einmal mehr, wenn sie vom Somec aufwacht. Ich selbst besuche sie nur, um sie zu ärgern.«
    »Das scheint deine Spezialität zu sein.«
    »Du findest einen verloren geglaubten Enkel wieder, und schon versuchst du, Uneinigkeit in die Familie zu tragen. Welch häßliche Art, Familienkrisen zu bewältigen.«
    Und Doon wandte sich ab und ging davon. Da sie das Spiel noch nicht diskutiert hatten, blieb Herman nichts übrig, als ihm zu folgen. »Hör zu, Junge«, sagte Herman, während er verbissen den schnellen Schritten des Jüngeren hinterherlief, »ich weiß nicht, welche Zwecke du in meinem Spiel verfolgst, aber du brauchst bestimmt kein Geld. Und bestimmt wirst du, so, wie du spielst, keine Wetten gewinnen.«
    Doon lächelte über die Schulter zurück und eilte weiter durch die Korridore. »Kommt es nicht darauf an, auf was ich wette?«
    »Du meinst, du wettest darauf, daß du verlierst? So, wie du spielst, wirst du niemanden finden, der gegen dich setzt.«
    »Nein, Großvater. Meine Wetten wurden schon vor Monaten abgeschlossen. Ich habe darauf gewettet, daß innerhalb von zwei Monaten nach deinem Erwachen Italien vernichtet und völlig aus Europa 1914d verschwunden sein wird.«
    »Völlig vernichtet!« Herman lachte. »Keine Chance, mein Junge. Ich habe es viel zu solide aufgebaut, selbst für einen vertrottelten Spieler wie dich.«
    Doon berührte eine Tür, und sie glitt auf.
    »Tritt ein, Großvater.«
    »Keine Chance, Doon. Für was für einen Narren hältst du mich eigentlich?«
    »Für einen recht kleinen«, sagte Doon, und Herman folgte dem Blick des Jüngeren, der sich auf zwei Männer richtete, die hinter ihm standen.
    »Wo sind die denn hergekommen?« fragte Herman dümmlich.
    »Es sind meine Freunde. Sie sind zu unserer Party eingeladen. Ich umgebe mich gern mit Freunden.«
    Herman folgte ihm in die Wohnung.
    Sie war schmucklos eingerichtet, zweckdienlich, in ihrer Einfachheit fast Mittelklasse. Aber die Wände waren mit richtigem Holz getäfelt – das erkannte Herman auf den ersten Blick –, und der Computer, der das kleine Vorderzimmer beherrschte, war das teuerste und technisch ausgereifteste Modell, das der Markt anbot.
    »Großvater«, sagte Doon, »im Gegensatz zu dem, was du denkst, habe ich dich heute hierher mitgenommen weil, obwohl du ein bemerkenswert schlechter

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