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Capitol

Capitol

Titel: Capitol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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Vater und Großvater warst, ich dennoch ein wenig den Wunsch verspüre, daß du mich nicht hassen mögest.«
    »Du verlierst«, sagte Herman. Die beiden Gangster grinsten ihn blöd an.
    »Du hast in letzter Zeit zuwenig Kontakt mit der Wirklichkeit gehabt«, war Doons Kommentar.
    »Mehr als mir lieb war.«
    »Statt dessen hast du dein Leben und dein Vermögen daran gewendet, ein Reich auf einer Schattenwelt zu errichten, die nur im Computer existiert.«
    »Mein Gott, Junge, du redest wie ein Priester.«
    »Mutter wollte, daß ich Geistlicher werden sollte«, sagte Doon. »Sie hat so rührend immer nach ihrem Vater gesucht – nach dir, wenn du dich erinnerst –, diesmal nach einem Vater, dem es nicht einfallen würde, sie zu verlassen. Traurig zu sagen, Großvater, aber sie hat in Gott einen Ersatzvater gefunden.«
    »Dabei habe ich immer gedacht, ich hätte meinem Kind ein wenig gesunden Menschenverstand vererbt«, sagte Herman angewidert.
    »Du hast mehr vererbt, als du denkst.«
    Die Welt Europas 1914d erschien als Hologramm. Das Rosa Italiens beherrschte das ganze Bild.
    »Wunderschön«, sagte Doon, und Herman war ganz überrascht über die aufrichtige Bewunderung, die er aus der Stimme des anderen heraushörte.
    »Schön, daß du das erkennst«, erwiderte Herman.
    »Keiner außer dir hätte das fertiggebracht.«
    »Ich weiß.«
    »Wie lange würde man brauchen, es zu vernichten? Was meinst du?«
    Herman lachte. »Hast du denn keine Ahnung von Geschichte, Junge? Roms Niedergang begann am Ende der Republik, und es dauerte fünfzehnhundert Jahre bis zum endgültigen Zusammenbruch. Englands Stern begann vom siebzehnten Jahrhundert an zu sinken, aber niemand merkte es, weil sich sein Kolonialreich immer noch ständig vergrößerte. Dann blieb es noch weitere vierhundert Jahre unabhängig. Reiche gehen nicht sehr leicht unter, mein Junge.«
    »Was hältst du von einem Reich, das in einer Woche untergeht?«
    »Dann war es kein gut organisiertes Reich.«
    »Und was ist mit deinem, Großvater?«
    »Hör doch auf, mich so zu nennen.«
    »Wie gut hast du es organisiert?«
    Herman blickte Doon wütend an. »Keinem gelang es je besser.«
    »Napoleon?«
    »Sein Reich starb mit ihm.«
    »Und wird deines dich überleben?«
    »Selbst ein total Unfähiger könnte es intakt halten.«
    Doon lachte. »Hier ist nicht die Rede von einem total Unfähigen, Großvater. Wir reden über deinen eigenen Enkel, der alles hat, was du je hattest, nur mehr davon.«
    Herman stand auf. »Diese Unterhaltung ist sinnlos. Ich habe keine Familie. Ich verlor das Sorgerecht für meine Tochter, weil ich sie nicht wollte. Ich kenne ihre Brut nicht, und ganz gewiß will ich mit ihr nichts zu tun haben. In wenigen Monaten werde ich wieder Somec nehmen, und wenn ich aufwache, nehme ich Italien, ganz gleich welchen Schaden du dem Land zugefügt hast. Dann baue ich es wieder auf.«
    Doon lachte. »Aber Herman. Wenn ein Land einmal aufgehört hat zu existieren, kann es nicht wieder ins Spiel kommen. Wenn ich mit Italien fertig bin, ist es ein Standard-Computerland, und du bist dann nicht in der Lage, es zu kaufen.«
    »Hör zu, Junge«, sagte Herman kalt, »willst du mich gegen meinen Willen hier zurückhalten?«
    »Du hast doch um dieses Treffen gebeten.«
    »Das bedaure ich.«
    »Sieben Tage, Großvater, und Italien existiert nicht mehr.«
    »Unvorstellbar.«
    »Ich will es eigentlich in vier Tagen schaffen, aber es könnte ja etwas schiefgehen.«
    »Von allen Verbrechern sind diejenigen die schlimmsten, die in Schönheit nur eine Gelegenheit zur Zerstörung sehen.«
    »Leb wohl, Großvater.«
    Aber an der Tür wandte sich Herman noch einmal an Doon und sagte fast flehentlich: »Warum tust du das? Warum hörst du nicht auf?«
    »Schönheit liegt immer im Auge des Betrachters.«
    »Kannst du nicht bis zum nächsten Mal warten? Kannst du Italien für diese Wachperiode nicht mir überlassen?«
    Doon lächelte nur. »Großvater, ich weiß, wie du spielst. Wenn du in dieser Wachperiode Italien hättest, würdest du die ganze Welt erobern. Und dann wäre das Spiel zu Ende.«
    »Natürlich.«
    »Deshalb muß ich Italien jetzt vernichten – solange ich es noch kann.«
    »Warum Italien? Warum ruinierst du nicht das Reich eines anderen?«
    »Weil kein Reiz darin liegt, die Schwachen zu vernichten, Großvater.«
    Herman ging, und die Tür glitt hinter ihm ins Schloß. Er ging zur U-Bahn zurück, mit der er bis zu seiner Haltestelle fuhr. Zu Hause herrschte auf dem

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