Capitol
Hologramm des Globus noch immer Rosa vor. Herman blieb stehen und sah es sich an, und vor seinen Augen änderte sich in einem großen Teil Sibiriens die Farbe. Er war über Doons Unfähigkeit nicht mehr wütend. Der Junge kompensierte offenbar seine elende religiöse Jugend, für die er seinen Großvater verantwortlich machte. Aber bei allem Talent, das der Junge haben mochte, würde es ihm nicht gelingen, Italien zu zerstückeln. Dazu war der Computer zu streng realistisch. Sobald die vom Computer simulierte Bevölkerung Italiens merkte, was Doon als Diktator im Schilde führte, würden die unveränderlichen Gesetze der Wechselwirkung zwischen Regierung und Regierten ihn aus dem Amt zwingen. Er wäre gezwungen zu verkaufen, und Herman konnte kaufen. Und den Schaden reparieren.
England rebellierte wieder, und Herman ging ins Bett.
Aber keuchend wachte er auf und erinnerte sich daran, daß er im Traum geweint hatte. Warum? Aber während er darüber nachdachte, entglitt ihm der Traum, und er wußte nur noch, daß es etwas mit seiner früheren Frau zu tun gehabt hatte.
Er ging an den Computer und schaltete das Spiel ab. Birniss Humbol. Der Computer brachte ihr Bild auf den Schirm, und Herman schaute zu, wie sich ihr Gesichtsausdruck veränderte. Sie war damals schön, und der Computer weckte Erinnerungen.
Er hatte auf seltsam keusche Weise um sie geworben – vielleicht lag Birniss damals schon die Religion im Blut, um dann in ihrer Tochter so recht zum Ausbruch zu kommen. In der Hochzeitsnacht hatten sie den ersten Verkehr gehabt, und Herman mußte lachen, wenn er daran dachte, wie es gewesen war – Birniss hatte, bei all ihrer Weltklugheit, dem Gatten doch eigenartig ängstlich ihre Unschuld gebeichtet. Und Herman hatte sie zärtlich und behutsam in die Mysterien eingeweiht. Und am Ende hatte sie ihn gefragt: »Ist das alles?«
»Später wird es noch schöner«, hatte er nicht wenig gekränkt geantwortet.
»Es war nicht halb so schlimm, wie ich dachte«, antwortete sie. »Tu’s noch mal.«
Sie hatten alles gemeinsam gemacht. Das heißt, alles außer dem Spiel. Italien durchlief damals eine kritische Phase. Er ging immer später ins Bett, redete immer weniger mit ihr, und selbst dann redete er von nichts anderem als von seiner kleinen, aber schönen Welt.
Ein anderer Mann war nicht im Spiel, als sie sich von ihm scheiden ließ, und um eine neugierige Laune zu befriedigen, gab er ihren Namen in die Bank für Bevölkerungsstatistik ein. Er war nicht überrascht, als der Computer meldete, daß sie nicht wieder geheiratet hatte, obwohl sie nicht mehr seinen Namen trug.
War irgend etwas Bestimmtes in ihrer Ehe der Grund dafür gewesen, daß sie nicht wieder heiraten wollte? Oder hatte sie ganz einfach nur zu einem Mann Vertrauen gehabt, um dann festzustellen, daß die Ehe nicht das war, was ihr vorschwebte – oder insbesondere auch Sex nicht? Mit ihrem Kummer hatte sie ihre Tochter vergiftet, mit ihrem Kummer hatte sie auch Doon vergiftet. Der arme Junge, dachte Herman. Die Sünden der Väter. Aber, sosehr man die Scheidung bedauern mochte, sie war unvermeidbar gewesen. Um die Ehe zu retten, hätte Herman das Spiel aufgeben müssen. Und niemals in der Geschichte, wirklich oder simuliert, hatte es etwas von solcher Schönheit gegeben wie sein Italien. Darüber waren Dissertationen geschrieben worden, und er wußte, daß die Studenten der alternativen Geschichte ihn als das größte Genie feierten, das je gespielt hatte. »Männer wie Napoleon, Cäsar oder Augustus ebenbürtig.« An diese Aussage erinnerte er sich. Er erinnerte sich ebenfalls an die Erklärung eines Professors, der so lange um ein Interview gebeten hatte, bis Hermans Eitelkeit weiteren Widerstand nicht mehr zuließ: »Herman Nuber, nicht einmal Amerika, nicht einmal England und nicht einmal Byzanz lassen sich an Stabilität, an Glanz und an Macht mit Ihrem Italien vergleichen.« Hohes Lob von einem Mann, der Spezialist für wirkliche europäische Geschichte war, mit dem ganzen Chauvinismus des Historikers hinsichtlich der Ära, mit der er sich befaßte.
Doon. Abner Doon. Und als sich erwiesen hatte, daß der Junge als Reichsgründer seinem begabten Großvater nicht ebenbürtig war, was sollte dann aus ihm werden?
Als Herman im Halbschlaf vor dem Computer saß, träumte er von irgendeiner Versöhnung. Er träumte davon, daß Abner Doon ihn umarmte und sagte: Großvater, du hast das Reich zu fest gegründet. Es wird für alle Zeiten Bestand haben.
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