Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Capitol

Capitol

Titel: Capitol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
Vom Netzwerk:
werden, warum schicken sie dann nicht einfach einen Assistenten, damit sie ihren Job behalten können?«
    »Das wurde schon versucht bevor du geboren wurdest, mein Junge. Nach drei Fragen wußte sie schon, daß der Assistent nicht wie der Minister gewohnt war, Befehle zu erteilen. Nach drei weiteren Fragen erkannte sie, daß sie getäuscht worden war. Dann ließ sie den armen Kerl, den sie überlisten wollte in ihre Gemächer schaffen und verurteilte ihn samt seinem Assistenten zum Tode wegen Verrats.«
    »Das ist wohl ein Scherz.«
    »Damit du weißt, was für ein Scherz das war, muß ich dir sagen, daß es zwei Stunden dauerte, bis wir sie überzeugt hatten, daß sie die beiden nicht unbedingt eigenhändig erschießen müsse. Immer wieder bestand sie darauf, selbst dafür zu sorgen, daß alles in Ordnung ging.«
    »Und was geschah dann?«
    »Ihre Somec-Frequenz wurde drastisch herabgesetzt, und sie wurden zur Verwaltung einzelner Sektoren von nahe gelegenen Planeten abgestellt.«
    »Sie durften nicht einmal auf Capitol bleiben?«
    »Nein, darauf bestand sie.«
    »Aber dann – dann regiert sie doch tatsächlich!«
    »Und wie!«
     
    *
     
    Der Kolonialminister war der Zweitletzte. Er war neu im Amt und hatte tödliche Angst. Er wenigstens hatte Nabs Warnungen ernstgenommen.
    »Guten Morgen«, sagte er.
    »Wen wollen Sie beeindrucken? Wenn ich etwas hasse, dann sind das freundliche Morgengrüße. Setzen Sie sich und berichten Sie.«
    Seine Hand zitterte, als er ihr seinen Bericht übergab. Sie las ihn rasch aber gründlich und sah den Minister mit hochgezogenen Brauen an. »Wer hat denn diesen verrückten Plan ausgebrütet?«
    »Nun –« sagte er zögernd.
    »Nun? Was heißt nun?«
    »Dies ist ein laufendes Programm.«
    »Ein laufendes Programm?«
    »Ich dachte, Sie kannten das aus früheren Berichten.«
    »Ich weiß davon. Eine einzigartige Methode, mit Kriegen fertig zu werden. Mehr Kolonien gründen als die anderen. Ein großartiger Plan. Er ist bis jetzt allerdings noch in keinem Bericht aufgetaucht, Sie Narr! Los, wer hat ihn ausgedacht?«
    »Ich weiß es wirklich nicht«, sagte er kläglich.
    Sie lachte. »Sie sind wirklich eine Entdeckung. Ein Kabinett voller Idioten, und Sie sind der schlimmste. Wer hat denn ausgerechnet Ihnen von dem Programm erzählt?«
    Er wand sich vor Angst. »Der stellvertretende Kolonialminister, Mutter.«
    »Name?«
    »Doon, Abner Doon.«
    »Machen Sie, daß Sie rauskommen, und sagen Sie dem Kanzler, daß ich diesen Abner Doon kennenlernen möchte.«
    Der Kolonialminister stand auf und ging.
    Mutter blieb auf ihrem Stuhl sitzen und starrte finster die Wände an. Die Dinge entglitten ihrer Kontrolle. Sie spürte es. Während ihres letzten wachen Tages hatte es dafür noch keine Anzeichen gegeben. Sie hatte höchstens eine Art Selbstgefälligkeit registriert. Aber diesmal hatte man mehrere Male versucht, sie anzulügen.
    Sie mußten wohl ein wenig aufgerüttelt werden. Ich werde sie aufrütteln, beschloß sie. Und, wenn nötig, werde ich zwei Tage wach bleiben. Oder sogar eine Woche. Der Gedanke war recht erheiternd. Mehrere Tage nacheinander wachzubleiben – eine aufregende Aussicht.
    »Bringt mir ein Mädchen«, sagte sie. »Ein Mädchen von etwa sechzehn. Ich muß mit jemandem reden, der mich versteht.«
     
    *
     
    »Dein Stichwort, Hannah«, sagte Dent. Hannah wirkte nervös. »Mach dir keine Sorgen, Kleine. Sie ist nicht pervers oder so etwas. Sie will sich nur unterhalten. Denk daran, wie Nab schon sagte, du darfst über nichts die Unwahrheit sagen.«
    »Beeil dich. Sie wartet«, unterbrach Nab.
    Das Mädchen verließ den Kontrollraum und ging durch die Halle zur Tür. Zaghaft klopfte sie an.
     
    *
     
    »Herein«, sagte Mutter leise. »Herein.«
    Das Mädchen war hübsch, ihr Haar rot, wunderschön und lang. Sie war verwirrt und ängstlich.
    »Komm her, Mädchen. Wie heißt du?«
    »Hannah.«
    Und dann begann die Unterhaltung. Für Hannah eine seltsame Unterhaltung, denn sie kannte nur den Klatsch der jüngeren Mitglieder der höheren Gesellschaftsklassen Capitols. Die Frau in mittleren Jahren hatte es sich in den Kopf gesetzt, sich ihren Erinnerungen hinzugeben, und Hanna wußte nicht, was sie sagen sollte. Bald merkte sie allerdings, daß sie überhaupt nicht viel zu sagen brauchte. Sie mußte nur zuhören und gelegentlich Interesse zeigen.
    Und nach einiger Zeit brauchte sie dieses Interesse nicht einmal mehr zu heucheln. Mutter war Relikt einer vergangenen Zeit, einer

Weitere Kostenlose Bücher