Cappuccino fatale
hippen Peeptoes und dem engen Rock einen gelungenen
Auftritt hinzulegen.
Hinter dem gläsernen Empfangstresen sitzt eine dieser stets
gelangweilt wirkenden Schönheiten mit langen schwarzen Haaren, dickem Lidstrich
und grellrot lackierten Nägeln. Gerade lässt sie mit Seufzerstimme über
Lautsprecher einen Kollegen ausrufen, der bitte dringend einen seiner Kunden anrufen möchte. Und das am Montagmorgen um halb zehn, noch
vor dem ersten Kaffee. Der Kollege wird sich freuen.
»Guten Morgen, ich bin Nina Sommer«, stelle ich mich vor, »Marta
Bocellli erwartet mich.«
Marta Bocellis Erwartungen halten sich offenbar in Grenzen: Sie ist nicht
erreichbar. Daher bemüht die Empfangsdame mit einem erschöpften Augenaufschlag
erneut den Agenturlautsprecher. Ich befürchte, Marta wird not
amused darüber sein, meinetwegen aus ihrem
Montagmorgen-und-wie-war-dein-Wochenende-Plausch gerissen zu werden, den sie
sicherlich gerade in irgendeiner Büroecke abhält.
Zehn Minuten, die ich auf dem Lobbysofa verbracht und in denen ich
meine zukünftigen Kollegen beim Eintrudeln beobachtet habe, später erscheint
Marta, eine schlanke Mittvierzigerin, in der Halle und begrüßt mich förmlich.
Sie bringt mich in den zweiten Stock, um mich bei meinem zukünftigen Team
abzuliefern.
» Ecco, da wären wir . «
Wir entern ein Büro am Ende des Ganges mit zwei sich gegenüberstehenden
Schreibtischen, an denen ein Mann und eine Frau sitzen, in eine offenbar wilde
Diskussion vertieft.
»Hier, ich bringe euch eure neue deutsche Kollegin Nina Sommer«,
platzt Marta grußlos dazwischen. »Sie hat noch keinen Rechner bei euch. Da
müsstest du«, wendet sie sich mir zu, »dich bitte selbst drum kümmern. Simona
kann dir sagen, an wen du dich wenden musst. Dann also«, sie zuckt unmotiviert
mit den Schultern, »einen guten Start hier bei uns.« Sagt’s und verlässt
schnurstracks den Raum.
Vielen Dank auch.
» Allora benvenuta, Nina. Ich bin Stefano
Rochetti, Planning Director hier bei AdOne Milano«, stellt sich mir mein äußerst
entspannt wirkender zukünftiger Vorgesetzter halb liegend aus seinem Lehnstuhl
vor. Er hat die Füße, die in edlen Budapestern stecken, auf dem Schreibtisch
abgelegt und wie jeder Italiener, der etwas auf sich hält, die Initialen seines
Namens auf sein weißes Hemd sticken lassen. Er hat kurze, dunkle Locken und ein
freundliches, markantes Gesicht. Nun streckt er die Hand aus, ohne sich auch
nur einen Zentimeter zu rühren, sodass ich auf ihn zugehen und mich leicht über
seine Beine beugen muss, um seinen Handschlag zu erwidern.
»Das hier«, fährt er seine Vorstellungsrunde fort und deutet auf
seine Kollegin, die mich neugierig mustert, »ist meine Assistentin Simona
Murano.«
Simona, eine zu klein geratene, pummelige Brünette, hievt sich aus
ihrem Sessel und reicht mir die Hand. » Piacere . Angenehm«,
begrüßt sie mich, »herzlich willkommen. Ich freue mich, nicht mehr mit Stefano
allein zu sein!«
»Simona ist eine ganz harte Nuss«, klärt mich Stefano gelassen auf,
dem meine leichte Gesichtsentgleisung nicht entgangen ist. »Sie arbeitet nur,
wenn sie Lust hat, und kritisiert mich, wo immer sie geht und steht. Daher bin
ich froh, nun eine Deutsche im Team zu haben.« Das
Wort »Deutsche« spricht er aus, als bezeichnete es eine Mischung aus Kampfhund
und Militärgeneral.
»Wie ›sie arbeitet nur, wenn sie Lust hat‹?«, faucht Simona ihn
erzürnt an. »Erst wenn du dich mal organisieren würdest, wäre es mir möglich, in Ruhe zu arbeiten. Du bist es doch, der mich ständig stört!«
»S’mona«, startet Stefano einen Beschwichtigungsversuch, »das hat
doch nichts mit meiner Organisation zu tun, wenn du …«
»Bitte? Natürlich hat es das!«, widerspricht Simona und übergießt
ihren Chef mit einem wütenden Redeschwall, der entsprechend aufgebracht
reagiert.
Mein Italienisch versagt bei diesem Wortgefecht kläglich. Ich kann
gerade mal heraushören, dass Stefano versucht, Simona klarzumachen, dass sie
nun mal seine segretaria sei und er sie daher ab und an ansprechen müsse .
Während meine neuen Kollegen verbal aufeinander eindreschen, schaue
ich mich in dem Raum um. Neben dem Doppeltischgespann der beiden Kampfhähne
steht an der Wand ein kleinerer Schreibtisch, der in einem normalen Büro für
das Abstellen des Druckers reserviert wäre. Da eine offenbar gastfreundliche
Seele jedoch einen Block, drei Bleistifte und einen noch eingeschweißten
Radiergummi sorgsam nebeneinander
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