Cappuccino fatale
angeordnet darauf abgelegt hat, scheint dies
der Schreibtisch der »neuen Deutschen« zu sein und das hier drapierte Material
meine Grundausstattung für einen optimalen Arbeitsstart.
» Va bene , na gut«, lässt Simona entnervt
von ihrem Chef ab und wendet sich wieder mir zu, »dann wollen wir mal einen
Computer für dich organisieren.«
Danke. Weihnachten kommt auch immer wieder überraschend.
Ich nicke schweigend.
Fünf Stunden, drei Kaffeepausen und zwei Schimpfattacken
meiner beiden Kollegen später bin ich tatsächlich online und sitze an meinem
Katzentisch mit eigenem Rechner. Ich habe mich bereits mit allen Kollegen auf
dem Gang bekannt gemacht und sogar schon eine Übersicht über die Werbeplanung
für Napolone sowie einen Kick-off-Termin für ein Meeting am Mittwoch abgreifen
können.
Jedes Mal, wenn Stefano den Raum verlässt, kommen Simona und ich ins
Plaudern. Sie stammt aus Palermo und arbeitet seit vier Jahren für AdOne. Für
den Erfolg des Etatgewinns von Napolone hat sie nur ein müdes Grinsen übrig.
»Den Etat haben wir bekommen, weil in den Chefetagen irgendwer mit
irgendwem, sagen wir mal freundlich, verschwägert ist. Du glaubst doch nicht im Ernst, dass wir da ernsthaft gepitcht haben. Sonst stünden wir jetzt wohl kaum ohne Kampagnenideen und damit
praktisch nackt da.« Sie mustert mich ruhig.
»Verstehe …«, sage ich nur gedehnt. Gerade beginne ich mühsam zu
begreifen, weshalb ich hier bin: um bei null anzufangen.
Ich denke nach.
Bisher dachte ich, meine Aufgabe in Mailand bestehe vor allem darin,
die Italien-Entwürfe meinem Team in Hamburg zuspielen zu müssen. Stattdessen
kapiere ich nun langsam, warum wir in Hamburg in den letzten Wochen keine Ideen
oder Ähnliches zu sehen bekommen hatten: Es gibt schlichtweg nichts zu zeigen. Mein Team und ich brauchten ewig, um in Mailand
überhaupt die zuständigen Kollegen für unser neues Großprojekt auszumachen,
geschweige denn sie für eine Telefonkonferenz zu gewinnen. Dazu kamen die
Probleme mit der Sprache. Schließlich telefonierten wir mit einigen Mailänder
Kollegen auf Englisch, konnten jedoch das ihrige kaum als solches erkennen.
Zwar habe ich früher jahrelang Italienisch in der Schule gehabt und
bin mit den Daten, die uns die Italiener zögerlich mailten, halbwegs
zurechtgekommen, doch hat das unsere Arbeit nicht vorangebracht. So sind die
Wochen ins Land gegangen, ohne dass irgendetwas geschah.
Nie hätte ich jedoch gedacht, dass der Grund für die Mailänder
Verschwiegenheit einfach nur Untätigkeit war.
Jetzt bin ich platt.
»Das heißt«, hake ich nach, »wir sollen in den nächsten Monaten eine
komplett neue Kampagne live stellen und es gibt noch nichts ?«
»Es gibt noch gar nichts«, korrigiert mich
Simona. »Was glaubst du denn, warum unsere Geschäftsführung freiwillig zugestimmt
hat, uns eine Kollegin aus Deutschland ins Nest zu setzen?«
Ins Nest zu setzen.
Mich Kuckucksei.
Danke für die Blumen.
Schlagartig wird mir klar, weshalb man mich hier überhaupt
aufgenommen hat. Nicht um sich von mir ein bisschen auf die Finger gucken zu
lassen, sondern damit ich das Team von null an unterstütze und dann den Kram
nach Hamburg trage. Auf mich wartet hier wohl eher die undankbare
Schweinchen-in-der-Mitte-Position als die attraktive Managementfunktion, die
ich mir erträumt hatte.
Unterdessen zieht Simona die Augenbrauen hoch und schaut mich erneut
vielsagend an. »Weißt du, selbst unsere Geschäftsführung hat inzwischen
kapiert, dass die Arbeit kaum mehr zu schaffen ist. Die brauchen nun Manpower
ohne Ende, um das Ding überhaupt noch stemmen zu können. Aber eins sage ich
dir: ohne mich. Ich mache da nicht mit. Immer das gleiche Chaos mit denen.
Sollen sie doch sehen, wie sie klarkommen«, informiert sie mich abschließend
über ihren persönlich geplanten Zero-Beitrag zur Projektarbeit.
Ich schaue aus dem Fenster und überschlage im Geiste die Wochen bis
zum Starttermin der Kampagne, für dessen Umsetzung man mich hierhergeschickt
hat. Auch wenn ich enge Timings durchaus gewöhnt bin: Dieser Zeitplan erscheint
mir geradezu himmelschreiend knapp.
»Na, das kann ja heiter werden«, brumme ich zurück.
»Da ist sie ja, guten Abend«, begrüßt mich Aldo, als ich abends um
halb acht die Wohnungstür ins Schloss und meine Tasche mit einem erschöpften
Seufzer auf den Boden fallen lasse. »Und? Wie ist es dir an deinem ersten
Arbeitstag ergangen?« Er sitzt in der Küche und liest Zeitung. Vor ihm steht
ein
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