Cappuccino fatale
zu AdOne Milano komme und nach ein
paar Monaten wieder abziehe. Privat? Eifersucht auf Paolo? Wäre das Maria
zuzutrauen? Gut, wir konnten uns offensichtlich nie leiden, aber warum sollte
sie so weit gehen?
»Guten Morgen, Nina«, werde ich in meinen Überlegungen
unterbrochen. Stefano betritt das Büro, in der Hand einen winzigen Pappbecher
für einen Espresso to go. Er schließt die Tür, stellt den Becher und seine
Tasche auf seinem Schreibtisch ab und setzt sich auf einen freien Stuhl
unmittelbar neben mir.
»Luigi hat mich darüber informiert, dass du uns verlassen wirst«,
kommt er direkt zur Sache. Er schaut mich betroffen an.
Ich ziehe argwöhnisch die Augenbrauen hoch.
»Das ist sehr schade, Nina, so plötzlich.«
»Hat er dir auch gesagt, weshalb?«, frage ich distanziert.
»Er hat mir nur erzählt, dass der Kunde künftig von einer anderen
Person betreut werden möchte. Ich kann das kaum glauben, Nina. Du hast doch
einen guten Job gemacht. Ist etwas vorgefallen, das ich wissen müsste?«
Würde mich das jemand fragen, der mir diese ganze Misere eingebrockt
hat?
Ich schaue Stefano ins Gesicht. Seit wir uns kennen, haben wir uns
wirklich gemocht und immer einen offenen Umgang miteinander gehabt.
»Ich muss gehen, weil ich eine Affäre mit Paolo Rossi habe. Das
passt Conti nicht«, kläre ich Stefano kurz auf.
»Mit dem Vertriebsleiter von Napolone?« Stefano wirft sich in seinem
Stuhl zurück und schlägt die Hände über dem Kopf zusammen. »Wie hast du das
denn hinbekommen? Du warst doch nur ein einziges Mal in Neapel.«
»Es hat gereicht«, nuschele ich.
»Ich hatte neulich kurz einen Verdacht, als du aus dem Meeting
abgehauen bist, dachte mir dann aber, dass es unmöglich sein kann, eben weil …
Schließlich warst du nur zu einem Termin in Neapel.«
Stefano schaut aus dem Fenster und denkt nach.
»War in dem Meeting denn nicht die Rede davon, dass Rossi demnächst
heiratet?«, fragt er dann.
»Ja, das war geplant«, sage ich. »Aber soweit ich weiß, wird weder
die Hochzeit stattfinden …« Wer weiß, was Paolo für neue alte Wege einschlagen könnte?,
denke ich bitter. »Noch«, fahre ich fort, »bin ich momentan mit ihm zusammen.«
»Das tut mir leid! Das hört sich alles gar nicht gut an.« Stefano
guckt mich neugierig an und wartet sichtlich auf weitere Erklärungen.
Aber ich habe jetzt genug erzählt. Ich schweige.
»Kannst du denn wieder«, setzt Stefano erneut an, »in deinen alten
Job in Deutschland einsteigen?«
»Ich habe meinem Chef in Hamburg eine Mail geschrieben, dass ich
frühzeitig zurückkommen möchte«, sage ich. »Er hat geantwortet, Arbeit habe er
für mich genug … Daher bin ich heute nur noch mal kurz reingekommen, um mit dir
eine Projektübergabe zu machen«, kehre ich brüsk back to business, bevor mir die Tränen kommen.
»Okay«, sagt Stefano nach einer kurzen Pause und erhebt sich. »Ich
finde es sehr schade, dass du gehst. Wir hatten eine gute Zeit zusammen.«
Wenige Stunden später packe ich bei AdOne Milano meine
Tasche und fahre meinen Rechner herunter.
»Und du willst mich wirklich mit Stefano alleine lassen?«, beschwert
sich Simona. »Das kannst du mir nicht antun.«
»Ich bin dazu gezwungen, meine Liebe, leider …« Ich knöpfe meine
Tasche zu.
»Komm her.« Simona streckt die Arme aus. Ich muss mich tief zu ihr
hinunterbeugen, damit wir uns ein paar Sekunden lang fest drücken können. Als
ich sie loslasse, hat sie Tränen in den Augen.
»Alles Gute für dich.«
Ich nicke tapfer.
Stefano reicht mir die Hand. »Wenn ich dir irgendwie, womit auch
immer, helfen kann – du hast meine Nummer«, sagt er zum Abschied.
Im Treppenhaus auf dem Weg zum Ausgang kommt mir plötzlich
die Wut hoch wie ein Blitzschlag. So sang- und klanglos werde ich nicht einfach
von hier weggehen. So kann ich mich einfach nicht abservieren lassen.
Es gibt da noch etwas, das ich wissen will.
Ich drehe auf dem Treppenabsatz um und gehe ein Stockwerk höher in
die Chefetage. Gewollt energisch marschiere ich den Gang mit dem flauschigen
Teppichboden entlang, stürme in Martas Vorzimmer und laufe grußlos und ihren
Protest ignorierend an ihr vorbei in Luigis Büro.
Der Agenturchef blickt konsterniert von seinem Monitor auf.
»Ich gehe jetzt«, informiere ich ihn.
Luigi schaut mich an, als wollte er fragen: »Na, und?« Das
Freisetzen von Mitarbeitern ist offenbar sein täglich Brot.
»Ich gehe jetzt«, wiederhole ich, »und wollte dir daher Tschüss
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