Cappuccino fatale
dann
machen?«, frage ich.
»Versuch deinen Job in Hamburg zurückzubekommen. Und dann komme ich
dich dort besuchen.«
»In Hamburg. Ist ja auch gleich nebenan«, schnaube ich so wütend,
dass Paolo zusammenzuckt.
»Nina«, er ringt um Fassung und nimmt meine Hand, »du bist jetzt
viel zu aufgeregt. Ich kann das gut verstehen, ich bin es auch.« Mit einer
hilflosen Geste streichelt er mir über die Wange. »Wir werden schon eine Lösung
finden. Wir … wir lieben uns doch, oder etwa nicht?«,
fragt er.
Ich schaue ihn an. Da war es, das magische Wort. Warum kommt das
erst jetzt, in dieser Situation?
Paolo schaut mich traurig an. Er scheint gerade genau das Gleiche zu
denken.
»Lass uns eine Pause machen und Mittagessen gehen«, schlägt er dann
sachlich vor. »Mit leerem Magen kommt man nicht weit.«
Eine halbe Stunde später schließe ich die Tür zu Giorgios
Wohnung auf. Ich habe Glück: Mein Vermieter ist bereits unterwegs in ein
verlängertes Wochenende in den Bergen. Dieses Mal hat er sogar Ilaria
mitgenommen. Waren die Kletterausflüge bisher sein Heiligtum, hat er seine
Meinung plötzlich wie ein Fähnchen im Wind geändert und Ilaria eine komplette
Wanderausrüstung geschenkt, damit sie ihn begleiten kann.
Paolo und ich gehen in die Küche. Ich werfe uns ein paar
Kalbsschnitzel mit Salbei in die Pfanne und backe Weißbrot im Ofen auf. Paolo
stibitzt eine Flasche Rotwein aus Giorgios Sammlung, schenkt uns zwei Gläser
ein und bringt mir das meine zum Herd, wo ich gerade mit der Gasflamme kämpfe.
»Auf uns.« Er lächelt mir aufmunternd zu und trinkt einen Schluck.
Ich stelle mein Glas zur Seite, schlinge die Arme um ihn und
vergrabe das Gesicht an seinem Hals. Paolo drückt mich an sich.
Dann schaltet er Herd und Ofen aus.
»Wo ist denn dein Zimmer?«, flüstert er.
Später liegen wir nebeneinander auf meinem kleinen Einzelbett
in der Zimmerecke und schauen aus dem Fenster. Paolo raucht. Auch ich nehme ein
paar Züge, obwohl ich noch nie geraucht habe. Passt aber irgendwie gerade zu
unserer Stimmung.
»Als Conti mich gestern zu sich gerufen hat, um mir dieses Ultimatum
zu stellen, dachte ich, mich rammt ein Bus«, fängt Paolo an zu reden. »Was für
ein Schock. Ich arbeite schon so lange für ihn und nun behandelt er mich so «, fährt er verbittert fort.
»Wie hast du reagiert?«
»Ich habe ihm gesagt, ich müsse darüber nachdenken.«
»Und was hat Conti daraufhin gemeint?«
»Er hat gefragt, was es da nachzudenken gebe. Er meinte, mal eben
die Tochter unseres Geschäftspartners sitzen zu lassen und mit einer Frau
loszuziehen, die er selbst durch seine Werbeaufträge nach Neapel geholt hat,
sei die größte Respektlosigkeit, die ich ihm antun konnte. Schließlich habe er
mich immer wie seinen eigenen Sohn behandelt und so weiter. Der ganze Sermon
älterer Herren eben …«
»Respektlos?«
»Ja, respektlos. Conti fühlt sich Pienzo gegenüber verantwortlich
für das, was passiert ist.«
Ich zucke mit den Schultern, so gut das im Liegen eben geht und
schüttele ungläubig den Kopf.
»Das ist Neapel, weißt du«, erklärt Paolo mir. »Katholisches
Süditalien. Niemand möchte gerne kurz vor seiner Hochzeit sitzen gelassen
werden, aber wenn dir so was als Frau passiert …«, er zieht die Stirn kraus,
»das ist schon eine recht heftige Sache«, fügt er leise hinzu.
Im Geiste stelle ich mir eine dunkelhaarige Schönheit vor, die
weinend vor dem Brunnen an einer kleinen Piazza sitzt, während die
Dorfgemeinschaft spottend mit Fingern auf sie zeigt und an ihr vorübergeht. Das
ist doch absurd. In welchen Zeiten leben wir denn?
»Das ist doch absurd«, sage ich also, »in welchen Zeiten leben wir
denn?«
»Doch«, beharrt Paolo. »Die Zeiten sind im Süden von Italien eben
noch ein bisschen anders. Cristina ist geradezu depressiv, es geht ihr sehr,
sehr schlecht. Sie hasst mich fürchterlich für das, was ich ihr angetan habe.«
»Und woher weißt du das so genau?«, frage ich ruhig. Dabei sind meine
Nerven zum Zerreißen gespannt.
Kurzes Stocken.
»Ich war bei ihr«, kommt sofort die schlichte Antwort.
Mit einem Ruck richte ich mich auf, reiße mir meine Decke bis zu den
Schultern hoch und drücke mich mit dem Rücken gegen die Wand.
»Du warst bei ihr ?«
»Nun ja, ich …« Auch Paolo richtet sich nun auf und wir sitzen uns
auf meinem Bett gegenüber. »Ich fand … nach der Sache mit Conti gestern und
nachdem mich ihr Vater neulich so hasserfüllt angestarrt hat, dachte ich,
Weitere Kostenlose Bücher