Caras Gabe
kosten, doch ich war weit davon entfernt, vernünftig zu denken. Mit einem wütenden Schrei schlug ich nach Arun. Er wich mühelos aus. Ich wollte mich auf ihn zu stürzen, allein der leicht amüsierte Ausdruck auf dem Gesicht des Engels hielt mich zurück.
„Fein.“ Ich hob einen Finger und richtete ihn mahnend auf beide. „Aber dem Nächsten, der mich testen will, schlage ich den Kopf ab – und keiner von euch wird es verhindern!“
Lurian zuckte nur mit den Schultern.
Arun sah mich zweifelnd an, nickte dann jedoch widerwillig.
Bevor ich mich zu einer weiteren Dummheit hinreißen ließ oder mein Temperament endgültig mit mir durchging, drehte ich mich um und stapfte in die Richtung davon, in die das Schwert geflogen war. Arun hatte es weit in den Wald geschleudert. Nur gut, dass hier sonst niemand war.
Auf halbem Weg zwischen ein paar Birken hindurch überlegte ich es mir anders und machte eine Kehrtwendung. Was ich hinter mir erblickte ließ mich allerdings innehalten.
Arun stand über Lurian gebeugt da. Er holte aus und schlug dem Engel so hart ins Gesicht, dass dessen Kopf zur Seite geschleudert wurde. Ich erwartete, dass Lurian angreifen würde, doch der lachte nur leise und starrte finster zurück. Selbst aus dieser Entfernung sah es so aus, als sei Arun der Verlierer dieser Auseinandersetzung.
Ohne dass ich es bewusst gerufen hätte, schwebte das Schwert plötzlich aus dem Wald zu mir heran und legte sich wie von selbst in meine Hand. „Welche Bürde trägt er mit sich herum, Sowanje?“, flüsterte ich. „Bitte, sag es mir.“ Doch sie schwieg.
Arun hatte Lurian inzwischen hinter sich gelassen und kam durch die Bäume auf mich zu. Ich wartete, bis er dicht vor mir stand, dann beugte ich mich zu ihm und küsste ihn. „Bring mich zum Fürsten.“
Arun nickte.
Ich trat in seine Arme und legte den Kopf an seine Schulter. „Ich bin genau in der richtigen Stimmung für Starken“, murmelte ich. Dann löste sich der Winterwald in Finsternis auf.
Kapitel 18
Irgendwann würde ich Arun fragen müssen, wie er es schaffte, sich mühelos und sicher von Ort zu Ort zu bewegen, auch wenn beide Orte hunderte Meilen auseinanderlagen. Woher wusste er, dass er nicht an einer Stelle auftauchen würde, an der gerade ein Mensch stand oder gar eine Wand war?
Wie war es ihm zum Beispiel diesmal gelungen, uns mitten in die Verhandlungskammer, hoch in Burg Wulfrin, zu bringen?
Mehr bärtige Gesichter, als ich in meiner Überraschung zählen konnte, starrten uns entgegen. Glücklicherweise haftete mir noch die Aura des Kampfes mit Lurian an. Ich war noch immer wütend, das sah man mir an.
Arun hatte uns am Rande des hohen, jedoch überraschend kleinen Raumes erscheinen lassen. Ein Tisch, um den sich sämtliche Fürsten versammelt hatten, füllte beinahe den gesamten Raum. Es gab bloß zwei kleine Fenster, an denen der heulende Wind Schneeflocken vorbeiwirbelte. An den Wänden hingen schlichte Kerzenleuchter.
Ein imposanter Mann in abgenutzter Lederkleidung mit vernarbtem Gesicht und ergrautem Bart stand halb zu uns gedreht, halb zu den Sitzenden mit erhobenem Arm da. Sein Mund hing offen. Anscheinend hatte ich ihn mitten in einer flammenden Rede unterbrochen.
Er drehte sich vollends zu mir und Arun herum, klappte den Mund zu, klemmte die Daumen in seinen Gürtel und grinste. „Du muss das Gör mit dem Schwert sein, von dem Starken uns erzählt hat“, rief er mit dröhnender Stimme.
Alle Augen senkten sich auf die gläserne Waffe an meiner Hüfte.
Ich hingegen betrachtete die vergilbten Wildscheinhauer, die an einer Kette um den Hals des Graubärtigen hingen. An den freien Unterarmen hatte er noch mehr Narben, die aussahen, als habe er den Biestern die Hauer mit bloßen Händen abgerungen.
Arun hatte mir über die letzten Tage die Namen der Fürsten eingeschärft, die sich mit Starken gegen die Priester verbündet hatten, und mir ihr Äußeres beschrieben und so fiel es mir nicht schwer, sie zu erkennen. Der Graubärtige musste Fürst Randowin sein. Er herrschte über eine größere Region, die an Ostinja grenzte. Dass er hier war, bedeutete, dass er Mut besaß. Ich mochte ihn auf Anhieb.
Mir fiel auf, dass er seine Waffe trug. Alle anwesenden Männer trugen ihre Schwerter. Ob das ein Ausdruck von Vertrauen oder Misstrauen war, konnte ich allerdings nicht einschätzen. Die meisten Schwerter waren bei meinem Erscheinen zumindest halb gezogen worden, doch bei den Worten des graubärtigen Fürsten, wurden
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