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Caras Gabe

Caras Gabe

Titel: Caras Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maya Trélov
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die Augen zusammen. „Es ist, wie ich gesagt habe.“ Er zuckte mit den Schultern. „Besser kann ich es nicht beschreiben. Ich erinnere mich kaum.“
    „Wie lange ist das her?“, fragte ich leise.
    Arun lächelte, legte seine Hand an meine Wange und zog mich zu sich heran. „Es ist lange her“, flüsterte er und küsste mich. „Lange.“

Kapitel 19
    Es war ein wolkenloser Tag, an dem ich die Sonne dieses Jahres zum letzten Mal sinken sah. Schneefetzen bedeckten die Felsen und Geröllhänge tief unter mir, als hätte jemand ein weißes Gewand zerrissen und über die Hügel verteilt. Soweit mein Blick reichte, wanden sich gezackten Bergrücken, geteilt von steilen Talschluchten, dem Horizont entgegen.
    Das Flattern von Aruns dunklem Umhang im Wind hörte sich an wie das Schlagen lederner Schwingen. Hin und wieder streifte der schwarze Stoff meine Hand, kitzelte meine Finger.
    Ich richtete meinen Blick gen Himmel. Über mir schmolz dunkles Blau zu Rabenschwarz, das an den Rändern, wo die rötlich gelben Strahlen der Sonne sich noch hielten, ausfranste, als risse der Himmel entzwei.
    Die Luft war kristallklar. Es schmerzte, sie zu atmen, und ich genoss jeden Zug.
    Arun streckte einen Arm aus und wies gen Westen. Ich folgte der Richtung mit dem Blick und was ich sah, ließ mich ehrfürchtig staunen.
    In der Ferne erschienen die Umrisse eines gewaltigen Berges wie aus dem Nichts, hoben sich aus dem schwindenden Licht hervor und nahmen Gestalt an wie ein Geist, der zu Stein erstarrt. Arun hatte mir erklärt, dass der Berg nur in der ersten Nacht für Feinde sichtbar wurde, doch bis zu diesem Moment hatte ich ihm nicht glauben können.
    Auf diesem Gipfel thronte Marmons Zitadelle, umwogt von Wolkenschwaden und Nebelfetzen. Ihre Türme mussten die von Wulfrins Burg überragen, als seien sie Zwerge. Ich hatte die Lichtträger mit eigenen Augen gesehen, die um diese Türme flogen wie lebende Fackeln. Es war mir ein Rätsel, weshalb ihre schweren Flügel sie nicht zu Boden schmetterten.
    Ich ballte meine Hände zu Fäusten. In dieser Nacht würde ich ihre Schwingen zerschlagen und dafür sorgen, dass ihre Lichter erloschen.
    Seit dem Morgengrauen war ich auf der äußersten Mauer von Wulfrins Tor hin und her geschritten, hatte das gläserne Schwert in die Luft gereckt und den frierenden Soldaten zugeschrien, dass ein Sieg auf sie wartete. Nun neigte sich die Sonne ein letztes Mal dem Horizont zu und meine Kehle war rau und schmerzte. Es war furchtbar gewesen, mich all den kampfbereiten Männern und Frauen zu zeigen, um mich dann von ihnen zu verabschieden. Sie würden dort auf den Ebenen fechten, ich würde meinen Kampf hier austragen.
    Ein melodisches Klirren wie von Eiskristallen erklang hinter mir und riss mich aus meinen düsteren Gedanken. Ich drehte mich um. Lurian.
    Die letzten Strahlen der Sonne glommen auf seiner Gestalt, tasteten darüber, als wollten sie sich an ihm festhalten, und hüllten ihn dabei in sanftes orangefarbenes Licht. Anscheinend hatte der Engel sich gänzlich von der Wunde erholt, die ich ihm zugefügt hatte. Er grinste mich offen an, doch es war kein freundliches Lächeln. Vielmehr schien es, als amüsiere er sich über ein Geheimnis, das nur er kannte, mit einer Andeutung von Berechnung und dem hauchfeinen Versprechen auf Grausamkeit in den Zügen.
    Ich seufzte. Zumindest zeigte er sein wahres Gesicht.
    „Marmon erwartet uns“, waren die Worte, mit denen er mich und Arun begrüßte.
    Arun schenkte ihm keine Beachtung, seine Augen ruhten weiterhin auf dem Horizont, wo die Sonne der Nacht entgegensank.
    Ich ging auf Lurian zu, bis wir uns gegenüberstanden. Da meine Füße auf erhöhtem Boden ruhten, konnte ich dem Engel zum ersten Mal direkt in die Augen sehen. Einem Impuls folgend hob ich meine Hand und strich mit den Fingerspitzen über Lurians Wangenknochen.
    „Es wäre schön“, sagte ich leise, „wenn du den Spiegel nicht über deine Augen ziehen müsstest.“
    Lurian sah mich erstaunt an und für einen Moment wirkte er verletzlich, unsicher sogar. „Cara, ich –“
    Abrupt zog ich meine Hand zurück. Die Hoffnung, die ich in seinen Augen gesehen hatte, erschreckte mich. „Nicht“, flüsterte ich und machte einen Schritt zurück. „Wie viele Lichtträger werden nach Sonnenuntergang im Berg sein?“
    Lurian starrte mich bestürzt an, doch er hatte sich schnell wieder in der Gewalt. „Über einhundert“, antwortete er knapp.
    Ich schaute zu Arun, dessen Blick noch immer auf dem

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