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Caras Gabe

Caras Gabe

Titel: Caras Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maya Trélov
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allzu vertraute Übelkeit in mir aufsteigen ließ. Da es bereits dunkel wurde, fiel es mir schwer, die Bewegungen in der Stadt unter mir richtig zu deuten.
    Lurian beugte sich vor und kniff die Augen zusammen. „Ich bin nicht sicher, was – Priester!“ Er packte meinen Arm. Meine Sicht verschwamm, doch dann konnte ich auf einmal schärfer und weiter sehen, als jemals zuvor.
    Die Priester waren nicht, was ich Lurian hatte zeigen wollen, doch nun, da ich sie sah, wogte eine Welle des Zornes durch mich hindurch, die mich alles andere vergessen ließ.
    Ihre Roben waren einmal weiß gewesen, doch das war lange her. Sie sahen ebenso abgerissen aus wie die übrigen Bewohner der unteren Stadt. Einzig das fiebrige Glänzen in ihren Augen unterschied sie weithin von ihnen. Das und die schäbigen Gänse- und Hühnerfedern, die sie sich an ihre Gewänder genäht hatten. Sie liefen herum und scheuchten die Menge vor sich her wie eine Herde Schafe.
    Es gab einen einzigen weiten Platz inmitten der engen Häuser und Straßen, der zur Hälfte von Menschen geräumt worden. Die Meisten starrten bloß hohl vor sich hin, doch mehr von ihnen, als ich wahrhaben wollte, rannten geschäftig umher, um mehr Holz zu finden. Denn auf der freien Hälfte des Platzes waren die Priester eifrig dabei, einen Scheiterhaufen zu errichten.
    „Sie werden Menschen verbrennen“, stieß ich hervor – und zuckte zusammen. Meine Stimme klang unnatürlich laut in meinen Ohren. „Lurian, wir müssen das verhindern.“
    Der Engel nickte und zog mich an seine Brust. Im nächsten Moment spreizte er die Flügel mit einem Geräusch, als würden hundert Schwerter gezogen, und stieß sich von der Mauer ab. Ich versteifte mich augenblicklich und konnte nur schwerlich einen Schrei unterdrücken, doch Lurian hielt mich fest in seinen Armen. Er segelte elegant durch die Luft und hielt direkt auf die provisorischen Scheiterhaufen zu.
    Sie bestanden aus zerschlagenen Möbeln, Dielen und herausgerissenen Holzlatten, doch auch alles andere, das brennbar war, schichteten sie übereinander. Ich sah Teppiche, Kleidung, Bücher und Körbe. Es hatte den Bewohnern der Häuser ringsum nichts genutzt ihre Türen zu verriegeln, man hatte sie kurzerhand eingetreten und ebenfalls als Brennmaterial verwendet.
    Lurian flog über ihren Köpfen hinweg als eine Frau versuchte, einen Priester davon abzuhalten, ihre Kerzenleuchter auf den Haufen zu werfen. Ihre Protestrufe gingen in dem allgemeinen Lärm unter. Die Priester und ihre Handlanger riefen die Leute zusammen.
    Noch hatte uns niemand bemerkt und ich fragte mich weshalb. Zahlreiche Menschen hatten in unsere Richtung gesehen oder die Köpfe gehoben, wenn Lurian nahe über ihnen hinweggesegelt war, ohne uns jedoch wirklich zu erkennen.
    Der Engel schwang sich nach links, tauchte zwischen zwei steile Häuserschluchten und ließ sich dort zu Boden sinken. Ratten stoben laut quiekend nach allen Seiten davon.
    Kaum aufgekommen packte Lurian meine Hand und zog mich hinter sich her. Ein wenig benommen von dem Flug stolperte ich mit. Am Rande der engen Gasse blieb er stehen und wandte sich zu mir um. Seine Flügel streiften auf den Holzwände zu beiden Seiten entlang und hinterließen kleine Rillen.
    „Ich werde mich tarnen“, sagte er. „Schließ deine Augen für einen Moment.“
    Ich tat es und als ich sie wieder aufschlug, konnte ich Lurian nur ungläubig anstarren. Nichts an ihm erinnerte mehr an den strahlenden Engel. Seine Haut war pockennarbig und zerkratzt, seine Haare waren aschfarben und hingen schlaff herab und seine Kleidung war starr vor Schmutz, zerrissen und grau. Einzig die bernsteinfarbenen Augen waren geblieben. Er nahm mich am Arm, tauchte in die Menschenmenge und bahnte sich einen Weg hindurch in Richtung der Scheiterhaufen.
    Etwas glitzerte am Rande meines Blickfeldes. Ich wandte den Kopf zur Seite – und sog scharf die Luft ein. Wenn man genau hinschaute, konnte man die Umrisse von Lurians Flügel in der Luft flimmern sehen, doch als ich eine Hand nach ihnen ausstreckte, ging sie glatt hindurch.
    Die Luft war schwer von dem Gestank so vieler Menschen, die sich seit Tagen nicht hatten waschen können, und an den Straßenrändern häufte sich Unrat. Ich hätte am liebsten jeglichen Körperkontakt vermieden, doch Lurian drängte sich rücksichtslos zwischen den Männern und Frauen hindurch. Hier und da sah ich die Hand eines Taschendiebes vergebens nach einer Geldbörse oder verborgenem Gold tasten. Meist waren es

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