Caras Gabe
sagte er, als habe er sich an das schimmelige Essen auf seinem Nachttisch erinnert. „Sorgt dafür, dass sie ein Bad bekommt. Und gebt ihr angemessene Kleidung.“
Nach dem Ausdruck in seinem Gesicht zu urteilen hätte er ebenso gut sagen können: Werft sie aus dem Fenster, aber bitte achtet darauf, dass sie nicht im Kräutergarten landet. Was hatte ich getan, um solche Abneigung zu verdienen? Es war wohl kaum etwas Persönliches, welchen Grund sollte der Fürst also haben, mich zu hassen?
Einer der Bediensteten, ein uralter Herr mit krausem Backenbart, war mir anscheinend zugeteilt worden. Schütteres weißes Haar bedeckte seinen von Altersflecken übersäten Schädel. Sichtlich widerwillig trat der dürre Mann auf mich zu, neigte leicht den Kopf und bat mich steif ihm zu folgen. Nur zu gerne floh ich hinter ihm aus diesem Raum.
Der Bedienstete führte mich durch mehrere Korridore und eine Treppe empor. Oben angelangt ging sein Atem pfeifend und er schlurfte einige Schritte gebückt, ehe er wieder aufrecht gehen konnte. Ich war kurz davor, ihm meinen Arm als Gehhilfe anzubieten, doch der Ausdruck absoluter Entschlossenheit auf seinem faltigen Gesicht hielt mich davon ab. Einzig sein Stolz schien den Greis davon abzuhalten, zusammenzubrechen.
Am Ende des Korridors hielt er vor einer Tür, die kaum weniger prunkvoll aussah als die des großen Saales. Mit zitternden Händen fingerte der Bedienstete einen schweren Schlüssel aus seiner Jackentasche. Er brauchte mehrere Anläufe, um ihn ins Schloss einzuführen. Mit einem lauten Klicken sprang es auf. Kaum dass die Tür offen war, winkte der Greis mich hindurch und schloss sie geschwind wieder.
Mit offenem Mund sah ich mich in den Gemächern um. Unzählige Kerzen waren angezündet worden. Ihre kleinen Flammen schwebten förmlich im Raum und beleuchteten flauschige Teppiche, plüschbezogene Sessel, Vasen voll kunstvollen Stoffblumen und Gemälde, von schweren goldenen Rahmen eingefasst, aus denen mir blühende Bäumen und grüne Wiesen verblüffend echt entgegenleuchteten.
Alle Fenster waren mit schweren Wandteppichen verhangen, die Männer zu Pferd im Kampf oder bei der Jagd dargestellten. Überraschend häufig sah ich Wölfe, die von ihren Lanzen aufgespießt wurden. Anscheinend hielt, wer auch immer hier wohnte, nicht viel von den Tieren, nach denen der Berg und die Stadt benannt waren.
Der Diener stand still in der Ecke neben der Tür und schaute mich aus großen, wässrigen Augen an. Er benetzte seine Lippen, blickte zu Boden. „Herrin“, brachte er schließlich heraus, gefolgt von einer tiefen Verbeugung. Seine Finger spielten mit dem Schlüssel. „Ihr seid es, nicht wahr?“, fragte er mit dünner Stimme. Erwartungsvoll, beinahe ängstlich sah er mich an.
Überfordert mit der Situation blinzelte ich zurück. „W-wer?“
Seine Lippen zitterten leicht. Er schien krampfhaft nach den richtigen Worten zu suchen. „Ihr, Ihr habt den Lichtträger erschlagen.“
Zwei Dinge verblüfften mich an seiner Frage. Erstens, dass dieser Diener davon wusste, und zweitens, dass mir anscheinend niemand zuhörte, wenn ich betonte, dass Arun den Lichtträger erledigt hatte. Beides ließ mich seufzen.
„Ja“, gestand ich, als ich seinen nervös-treuen Blick nicht mehr ertragen konnte. „Das war wohl ich.“
„Es ist mir eine Ehre“, beteuerte der Diener. Ich war sicher, er hätte sich mir vor die Füße geworfen, wenn er danach nur aus eigener Kraft wieder auf die Beine gekommen wäre. Und dann sprudelten die Worte nur aus ihm heraus, als habe er jeglichen steifen Anstand vergessen. „Mein Name ist Arnulf. Wenn Ihr etwas benötigt oder ich Euch helfen kann, genügt ein Wort von Euch. Ich werde sogleich eine Zofe zu Euch schicken. Ihr Name ist Sorja. Zögert nicht, in allen Belangen über sie zu verfügen.“ Er lächelte mich an, als hätte ich alles Leid aus seinem Leben vertrieben. „Die Prophezeiung wird sich endlich erfüllen“, seufzte er. „Meine Tochter hat Recht gehabt. Ein kluges Kind, meine Rosana.“ Eine weitere, überraschend elegante Verbeugung folgte und Arnulf schob sich rückwärts aus der Tür.
„Rosana ist deine Tochter?“, fragte ich die mit Goldschnörkeln verzierte Tür. Sie antwortete nicht. Ich fasste mir an den Kopf, drehte mich zu den Wandteppichen vor den Fenstern und versuchte einen Sinn aus Arnulfs Worten zu ziehen. Das könnte zumindest Rosanas gesonderte Stellung in diesem Haushalt erklären. Nicht aber, weshalb der Greis sich
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