Caras Schatten
kopfschüttelnd, den Mund voller Käse.
Die Übelkeit drängte sich in ihrem Hals nach oben. »Ooh«, stöhnte sie leise und setzte sich anders hin. Mom warf ihr einen alarmierten Blick zu.
»Cara, ist dir schlecht?«, fragte sie scharf.
Nein. Es beunruhigte ihre Eltern, wenn ihr plötzlich schlecht wurde. Sag »Nein« . Sie schüttelte den Kopf, während ihr Schweißperlen auf die Stirn traten. Sie konnte das kalte, fettige Stück Pizza auf dem Couchtisch nicht einmal ansehen. Sie spürte, wie die Übelkeit in ihr hochstieg, und stürmte hinauf in ihr Zimmer. Ihre sprachlosen Eltern ließ sie hinter sich zurück.
Zoe richtete sich im Bett auf, als Cara durch die Tür gestürzt kam und ins Bad rannte. Vor dem Klo ließ sie sich auf die Knie fallen und beugte den Kopf über die Schüssel. Die Fliesen drückten sich kalt gegen ihre Knie. Sie wartete ab.
Hinter sich hörte sie ein leises Rascheln, dann tauchten Zoes knallgrün lackierte Zehennägel, deren Lack bereits absplitterte, in ihrem Sichtfeld auf. Zoes Fußsohlen waren dreckig von der Wanderung. Cara spürte, wie ihre Freundin auf sie herabblickte.
»Was ist los?« Ihre Stimme klang neugierig und distanziert zugleich, so als würde sie eine interessante wissenschaftliche Entdeckung betrachten.
Cara würgte einmal, doch es kam nichts heraus. Atemlos wartete sie ab, doch ihr Magen schien sich allmählich zu beruhigen. Cara blickte auf und griff nach einem Kosmetiktuch. »Alexis ist verschwunden. Die Polizei glaubt, dass sie Selbstmord begangen hat.« Aus ihrem Mund klangen die Worte irgendwie irreal.
Zoe blinzelte nicht einmal. Sie zuckte mit den Schultern. »Ja, die war echt voll am Ende. Was für eine Psychopathin.« Sie drehte sich um und trottete zurück zu ihrem Lager auf dem Bett.
Cara stand mühsam auf und füllte sich am Waschbecken ein Glas mit Wasser. Sie nahm einen Schluck. Dann stellte sie das Glas ab und trat in den Türrahmen. Zoe lag auf dem Rücken und hielt sich ein Kinderbuch vor die Nase. Ferdinand, der Stier . »Die Geschichte fand ich immer total schön«, sagte sie schwärmerisch.
»Warte mal, woher weißt du, dass Alexis total am Ende war?«, fragte Cara.
Zoe blickte sie an. »Na, du hast’s mir doch selbst erzählt. Richtig?«
»Oh, ja, richtig«, wiederholte Cara.
»Hier.« Zoe reichte ihr das Buch und klopfte neben sich aufs Bett. »Lies mir etwas vor.«
Cara setzte sich auf die zerwühlte Bettdecke, und Zoe kuschelte sich wie ein kleines Kind an. Sie schloss die Augen und ließ ihren Kopf auf Caras Schulter sinken.
»Es war einmal in Spanien …«, begann Cara. Sie las und las, während sich draußen die Dunkelheit herabsenkte.
Kapitel 16
C ara ertrank. Irgendetwas zog sie nach unten, und sie konnte sich nicht befreien. Mühsam kämpfte sie sich durch mehrere bauschige Schichten von Schlaf und befahl ihren Augen, sich zu öffnen. Die gelblichen Leuchtziffern ihres Weckers zeigten 05 : 30 . Zoe hatte sich neben ihr zusammengekuschelt, den Arm mit Caras verhakt. Ihre Augen waren fest geschlossen, und sie atmete durch den Mund. Cara wich unwillkürlich vor ihrem schalen Atem zurück. Zoe schlug unvermittelt die Augen auf und blickte ihr direkt ins Gesicht. Sie lächelte.
»Guten Morgen«, sagte sie, ohne sich zu rühren. Cara zwang sich zu einem Lächeln. Sie rutschte ein paar Zentimeter zurück, bis sie am Abgrund der Bettkante schwebte, dann schob sie die Beine unter der Decke hervor und suchte nach ihren Schlappen.
Zoe ließ ihren ausgestreckten Arm träge aufs Bett plumpsen und schnappte sich Caras verlassenes Kopfkissen. Sie schob es sich seitlich unter den Kopf und starrte Cara mit großen, schläfrigen Augen an. »Was hast du vor? Es ist viel zu früh zum Aufstehen.«
Cara hatte immer noch eine Gänsehaut davon, dass sie so nah neben Zoe aufgewacht war. Sie stopfte ein T-Shirt und ihre Spikes in die Sporttasche. »Ich glaube, ich sollte heute mal besonders früh in den Trainingsraum gehen. Ich fühle mich in letzter Zeit ziemlich verspannt.« Sie steckte ihren Geschichtstext und zwei Schnellhefter in den Rucksack und machte den Reißverschluss zu.
Zoes Gesicht verzog sich. »Ich dachte, wir könnten heute mal zusammen frühstücken. Ich meine, ich weiß zwar, dass ich uns nicht selbst was machen kann, aber ich hatte mir eine ganz besondere Überraschung ausgedacht.« Sie rieb sich mit den Knöcheln über die Augenlider, wie ein kleines Kind.
Cara bekam plötzlich Schuldgefühle. Zoe war ihre beste Freundin,
Weitere Kostenlose Bücher