Caras Schatten
verzogen.
Cara riss den Blick von ihr los. »Komm«, sagte sie unvermittelt, während sie aufstand und sich ihren Rucksack auf die Schultern hievte. »Lass uns von hier abhauen. Mir ist eiskalt.«
Zoe sprang auf. Ihre Lustlosigkeit von vorhin schien mit einem Mal wie weggeblasen. Sie tänzelte aus der Scheune und vollführte einen zierlichen Sprung, wie eine Waldelfe, im durchweichten goldenen Gras. Cara folgte ihrer tänzelnden Gestalt den Hügel hinauf nach Hause.
Kapitel 15
A ls sie von ihrer Wanderung zurückkehrten, ging Cara ins Badezimmer und zog sich langsam ihre Kleidung aus. In einer fließenden Handbewegung verriegelte sie die Tür. Sie fragte sich nicht, warum. Stattdessen drehte sie das heiße Wasser auf, bis sich der Dampf in dem winzigen Raum ausbreitete. Ihre Schultern hingen schlaff herab, und ihre Füße waren schwer. Als sie in die Dusche stieg, fielen ihr die tiefen Kratzer an ihren Beinen und Unterarmen auf. Das Brombeergestrüpp war anscheinend schärfer gewesen, als sie es empfunden hatte. Die Kratzer brannten, als das warme Seifenwasser darüberlief.
Cara blieb so lange unter der Dusche, bis das heiße Wasser nur noch lauwarm war. Sie begann zu frösteln, doch sie wollte noch nicht hinaus. Sie wollte sich für immer in dem winzigen Badezimmer verkriechen. Erst als ihre Arme von einer Gänsehaut überzogen waren, stellte sie das Wasser ab und hüllte sich in ihren wärmsten Bademantel. Sie zog sich ein paar Wollsocken und Hausschuhe an und wrang ihr nasses Haar aus. Doch sie hörte nicht auf zu zittern, nicht einmal, als sie sich den Fön geradewegs ins Gesicht richtete.
Als Cara schließlich aus dem Badezimmer schlich, hatten die abendlichen Schatten das Zimmer in tiefes Grau getaucht. Zoe lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Bett und schlief tief und fest. Sie hatte immer noch Jeans und Stiefel an. Cara ging auf Zehenspitzen zu ihr herüber und starrte auf ihre Freundin herab. Die Bettdecke war von Erdklumpen und Laubfetzen übersät, wie Cara angewidert feststellte. Zoe hätte sich zumindest die Stiefel ausziehen können. Ihr Atem war tief und gleichmäßig. Sollte sie sich ruhig erholen, dachte Cara im Stillen. Dann zog sie sich rasch etwas über und schlich aus dem Zimmer, erfüllt von einem geradezu schuldbewussten Gefühl der Erleichterung.
Im Erdgeschoss herrschte Festbeleuchtung. Der Gaskamin brannte, und Dad kam mit einem duftenden Pizzakarton zur Tür herein. Cara atmete tief durch. Ihr lief das Wasser im Munde zusammen. Mom trug gerade Teller und Servietten ins Wohnzimmer. Oh Gott, sie hatte sogar Salat gemacht! Cara verkniff sich einen ironischen Kommentar bezüglich Moms Kochkünsten. »Sieht toll aus«, sagte sie stattdessen. »Will sonst noch wer ’ne Cola Light?«
Ihr Vater schüttelte den Kopf. »Für uns nicht, danke.«
Cara holte sich eine eisige Coladose aus der Küche und ließ sich aufs Sofa sinken. Dann lud sie sich drei Stücke Pizza auf den Teller. Das Licht der Lampen erhellte die dicht zugezogenen Vorhänge, und im Hintergrund lief fröhlich der Fernseher. Cara nahm einen riesigen Bissen Käse und Boden und schloss genüsslich die Augen. Selbst Samson war zur Abwechslung einmal still. Er saß an seinem angestammten Platz auf der Rückenlehne des Sofas und leckte sich das Fell, ehe er sich hinlegte, um ins Feuer zu starren.
Dad griff nach der Fernbedienung und ging die verschiedenen Sender durch, während sich Cara über ihr zweites Stück Pizza hermachte. Es war echt unglaublich, wie hungrig sie dieser harmlose Waldspaziergang gemacht hatte. Sie dachte daran, dass sie Zoe ein paar Stücke Pizza verwahren musste. Dad blieb bei den Lokalnachrichten hängen.
»… die Eagles lagen in der Halbzeit drei Punkte im Rückstand«, verkündete die blonde Nachrichtensprecherin. Cara fragte sich, ob ihr orangefarbener Teint wohl so aussehen sollte oder ob in der Maske etwas schiefgelaufen war.
»Als Nächstes berichten wir über eine vermisste Schülerin der Sherman Highschool. Ist das Mädchen von zu Hause ausgerissen? Die Polizei ermittelt.«
Cara setzte sich aufrecht hin. Die Nachrichtensprecherin verschwand und wurde von einer tanzenden Klobürste abgelöst. Cara legte ihr Pizzastück zurück auf den Teller und wischte sich die Hände an der Serviette ab, einen Finger nach dem anderen. Das Fett hinterließ durchsichtig gelbe Flecken auf dem weißen Papier. In ihrer kleinen Gemeinde geschah für gewöhnlich nicht viel – doch nun erst die Sache mit Sydney
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