Caravan
und wie gnadenlos manchmal, und wie einsam es ist, niemandem vertrauen zu
können, überhaupt niemandem, denn der nächstbeste Windhund nimmt sofort die Chance wahr, dich über den Tisch zu ziehen und
dir das Geschäft zu klauen, und deine engsten Businesspartner sind zugleich deine tödlichsten Feinde.
Denn beim Übergang von der alten Welt in die neue, wie schon der scharfsinnige alte Buschbart schrieb, werden alle festgefügten
Verbindungen fortgewischt, alles Bestehende löst sich auf, alles Heilige wird entweiht, und ein Mann muss die richtigen Entscheidungen
für sein Leben und die Beziehungen zu anderen treffen. Denn in der neuen Welt gibt es nur Rivalen oder Versager, und nichts
dazwischen. Und natürlich Frauen.
Mit diesem unverschämten Lächeln hat sie sich neben ihn gestellt.
»Andrij. Vitali ist da. Vitali vom Erdbeerfeld.«
»Wo?«
Das fehlt gerade noch. Dass der Mobilfon-Mann kommt und ihn auslacht, wie er hier bis zu den Ellbogen im Spülwasser steht.
|280| »Hier. Im Restaurant. Er sitzt am Fenster.«
»Was will er?«
»Er sagt, er hat einen Job für uns. Einen Super-Job. Gourmetcatering am Flughafen Heathrow.«
Andrij spürt, wie die Wut in ihm aufsteigt. »Irina, wenn du mit Vitali gehen willst, mach, was du willst. Ich habe jedenfalls
kein Interesse an dem Job.«
Als er in die heiße, beißende Lauge greift und ein paar glitschige Teller herausfischt, spürt er, wie rot und wund seine Hände
sind.
»Er sagt, die Bezahlung ist gut. Und es ist saubere Arbeit. Vielleicht wäre das besser für dich, Andrij. Besser als Tellerwaschen.«
»Er weiß, dass ich Teller wasche?«
»Ich habe ihm gesagt, dass wir hier arbeiten, um ein bisschen Geld zu verdienen. Geh wenigstens raus und rede mit ihm.«
»Was hast du sonst noch zu ihm gesagt?«
Eigentlich kann sie ja nichts dafür, die Kleine. Sie begreift nur rein gar nichts.
»Ich weiß nicht. Was ist denn los, Andrij? Er will uns doch nur helfen.«
»Sich selbst will er helfen, sonst nichts.« Mit einem feuchten Tuch trocknet er sich die Hände ab. »Hast du ihm das Glas eingeschenkt,
Irina? Hast du ihn in deinen Ausschnitt sehen lassen?«
»Hör auf, Andrij. Warum bist du so?«
»Hat er dir sein Mobilfon gezeigt?«
»Geh hin und sag hallo. Er ist dein Freund, oder nicht?«
»Ich weiß selber, was ich ihm zu sagen habe.«
Er stellt die seifigen Teller auf das Gestell, tritt die Schwingtür in den Gastraum auf und sieht sich um. Vitali sitzt an
einem der Fenstertische, nippt an einem Weinglas |281| und fummelt demonstrativ an seinem Mobilfon herum. Wo hat er diesen schicken Anzug her? Auf einmal fliegt die Tür zur Straße
auf und ein Mann kommt herein – ein großer Mann mit rasiertem Schädel und mit einer hässlichen Narbe über Wange und Lippe.
Wie versteinert bleibt Andrij in der Schwingtür stehen und beobachtet, wie das Narbengesicht Vitali entdeckt, quer durch das
Restaurant marschiert und sich vor ihm aufbaut. Andrij hat das Gefühl, er hat den Typ schon mal gesehen, aber er kann sich
nicht erinnern, wo. Irina ist in der Küche, außer Sichtweite. Jetzt kommt Zita, die nach Irina sucht, damit sie den neuen
Gast bedient.
Das Narbengesicht sagt – seine Stimme ist so laut, dass jeder im Raum ihn hören kann: »Wo ist sie?«
»Sie ist hier«, sagt Vitali. »Setz dich doch.«
»Du schuldest mir ein Mädchen, toter Mann. Du hast versprochen vier, aber ich habe bekommen nur drei.«
»Bitte, Smitja, setz dich«, sagt Vitali leise. »Wir können über alles reden. Trink etwas.« Er winkt Zita herbei.
»Die chinesischen Schlampen, die du hast mir verkauft. Kein von beide war Jungfrau. Du hast mir verarscht.«
Jetzt fällt Andrij ein, woher er ihn kennt. Vitali hebt beschwichtigend die Hände. »Okay. Wir machen Deal, mein Freund. Ich
habe Vorschlag für dich.«
»Zeig mir die Kleine.«
»Gleich. Sie ist hier. Setz dich. Ich hole sie.«
Andrij läuft der Schweiß über die Stirn. Er ist vor Wut wie versteinert. Wenn er eine Pistole in der Hand hätte, würde er
Vitali hier und jetzt erschießen, denkt er. Stattdessen stellt er sich leise hinter die Küchentür, wo Vitali ihn nicht sehen
kann. Irina hat sich irgendwo versteckt.
Der Mann mit der Narbe sieht sich hektisch um. Sein Blick fällt auf Zita.
|282| »Ist sie das? Dies hässliche Ziege? Hältst du mich für total Gemüse?«
»Bitte, Smitja. Wir sind zivilisierte Leute, nicht Gangster. Lass uns über Geschäft reden.«
»Du
Weitere Kostenlose Bücher