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Caravan

Titel: Caravan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Der Himmel ist schwer, Sturmwolken hängen tief am Horizont. Rock fährt die meiste Zeit im ersten Gang und beugt sich
     über das Lenkrad, denn die Straße ist so schmal, dass bei Gegenverkehr oft einer zurückstoßen muss, um den anderen vorbeizulassen.
    »Die Landschaft gefällt mir«, sagt Irina. »So habe ich mir England vorgestellt. Wie in
Sturmhöhe

    »Peak District«, erklärt Rock, »wir sind fast da.«
    Auf einem steilen Straßenabschnitt zwischen zwei Waldstücken biegt Rock links ab auf eine holprige Schotterpiste, die in ein
     Gehölz führt. Unten, am Fuß des Abhangs, steht noch ein Bus zwischen den Weißbirken. Als sie langsamer werden, kommen zwei
     Hunde aus dem Wald gerannt und stürzen bellend auf sie zu. Maryjane spitzt die Ohren, dann fängt auch sie zu bellen an, und
     Hund fällt ein. Hinter den Hunden tauchen drei Leute auf. Andrij mustert sie neugierig – sind es Männer oder Frauen?
     
    Andrij war ziemlich wütend, als er feststellte, wo wir gelandet waren. Ich glaube, er dachte, dass wir kurz vor Sheffield
     wären. Rock versprach vage, uns am nächsten Tag nach Sheffield zu bringen. Oder am Tag darauf. Ehrlich gesagt, ich hatte es
     gar nicht so eilig, nach Sheffield zu kommen. Ich war neugierig auf dieses Camp. Vielleicht gab es ein Zelt oder einen romantischen
     kleinen Wohnwagen oben auf einem Hügel, wo wir die Nacht verbringen könnten.
    |345| Aber stattdessen stand da nur ein Haufen alter Fahrzeuge am Waldrand, von denen manche auf Ziegelsteine aufgebockt waren,
     und die Zelte bestanden aus primitiven Plastikplanen, die niedrig über junge Bäume gespannt waren. Dann hob ich den Kopf und
     musste blinzeln, denn oben in der Blättern entdeckte ich ein ganzes Spinnennetz von blauen Seilen, die von Baum zu Baum führten,
     wie luftige Wege, und Zelte aus Segeltuch oben in den Baumkronen.
    Rock stieg aus und rannte auf die drei Leute zu, die uns entgegenkamen, um uns zu begrüßen – seine Kriegerkollegen wahrscheinlich.
     Er umarmte sie und stellte uns vor. Alle trugen die gleichen weiten, erdfarbenen Kleider. Meines Erachtens sahen sie ganz
     und gar nicht aus wie Krieger. Der Kleinste von ihnen, der Windhover hieß, hatte einen kahlrasierten Schädel. Die zwei anderen
     hatten die gleichen verfilzten Zöpfchen wie Toby McKenzie, einer trug sie nach hinten gebunden, der andere offen. Sie hießen
     Heather und Birch. Heide und Birke? Anscheinend hatten alle hier so komische Namen. Meiner Meinung nach sollten Menschen nach
     Menschen benannt sein, nicht nach Dingen. Woher wusste man sonst, wer ein Mann war und wer eine Frau?
    Heather, Heide, heißt eine kleine lila Blume, die in Schottland weit verbreitet ist, und es ist gleichzeitig ein Frauenname,
     doch dieser Krieger namens Heather schien ein Mann zu sein, zumindest, wenn man seinen Bartwuchs als Indiz dafür nahm. Im
     Gegensatz zu seinem femininen Namen war er kräftig gebaut, muskulös und sein dichter brauner Bart sah aus, als hätte er ihn
     mit der Nagelschere gestutzt – vielleicht war das unter Kriegern Mode. Bei den anderen beiden war ich mir nicht so sicher.
     Krieger Birch war recht groß, aber er wirkte irgendwie unkörperlich mit seiner leisen Stimme und dem schüchternen Wesen. Krieger
     Windhover – was mochte das wohl bedeuten? – war kleiner, aber dafür |346| wilder, auch wenn kein einziges Haar an ihm war bis auf die Augenbrauen, dunkle, ausdrucksvolle Bögen über meerblauen Augen,
     die lebhaft aus dem blassen knochigen Schädel hervorleuchteten. Als wir ihnen zum Camp folgten, sah ich, dass Windhover und
     Birch Händchen hielten, woraus ich schloss, dass es sich bei ihnen um einen Mann und eine Frau handelte – nur, wer war was?
    Zu meiner Überraschung entdeckte ich zwischen einem Wohnwagen und einem Baum eine Wäscheleine, genau wie auf unserem Erdbeerfeld,
     und es hingen drei Paar Kriegerunterhosen daran, alle gräulich, formlos und nass. Der Anblick amüsierte mich, denn ganz ehrlich,
     ich hatte sie nicht für die Art Krieger gehalten, die sich groß mit Wäschewaschen aufhielten.
    Auf einer Lichtung zwischen den Bäumen glomm ein Feuer, über dem ein schwarzer Kessel hing, und ein paar Baumstämme waren
     als Bänke darum herumgelegt. Die Krieger baten uns Platz zu nehmen, und Heather schenkte uns Tee ein, der grau und rauchig
     und sehr dünn war, in Tassen, die ebenfalls grau und rauchig und gesprungen waren. Dann teilte Birch aus einem anderen Topf
     Essen aus, das auch grau und rauchig

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