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Caravan

Titel: Caravan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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war. Es erinnerte mich an die Kriegerunterhosen, und ich dachte, wenn man sie lange genug
     kochte und sie dann gut durchrührte, würden sie genauso aussehen und schmecken.
    Die Krieger unterhielten sich. Rock erzählte von seinem Besuch in Cambridge, und die anderen stellten Fragen über irgendwelche
     Labors, aber ich hörte nicht richtig hin, denn ich hatte noch etwas oben in den Bäumen entdeckt. Ganz oben im Laub versteckt
     schwebte ein Wohnwagen – ein kleiner runder, grün gestrichener Wohnwagen, der in der Astgabel einer stämmigen Buche steckte,
     mit blauem Seil gesichert, und zu dem eine Strickleiter hinaufführte.
    |347| »Schau mal, Andrij«, sagte ich.
    Rock sagte: »Aye, das ist unser Gästezimmer. Da könnt ihr drin schlafen, wenn ihr wollt.«
    Der Blick, mit dem Andrij mich ansah, brachte meinen Körper zum Glühen, und mein Herz hüpfte wild, denn ich wusste, heute
     Nacht würde es passieren.
     
    Windhover, die Frau mit der Glatze, hat hinreißende Augenbrauen – wie sie fragend nach oben rutschen, anzüglich zucken, sich
     grimmig runzeln und überraschte oder erfreute Bögen formen. Die Augenbrauen einer Frau können ein sehr verführerischer Körperteil
     sein, denkt Andrij. Sie redet mit Birch, und ihre Brauen heben und senken sich rhythmisch. Vorher hat er die beiden Händchen
     halten sehen, und als sie die Köpfe zusammensteckten, haben sie verstohlen einen Kuss getauscht. Zuzusehen, wie zwei Frauen
     sich küssen, hat eine sehr erregende Wirkung auf einen Mann. Haben sie es vielleicht absichtlich getan? Andrij hat noch nie
     eine homosexuelle Frau kennengelernt, aber er hat gehört, dass sie wahnsinnig sexy sind. Bis heute hatte er noch keine Gelegenheit,
     es selbst herauszufinden. Er hat gehört, dass ihr leidenschaftliches Wesen, durch das Fehlen eines geeigneten Mannes blockiert,
     sich zu sich selbst wendet und auf ein Objekt ihresgleichen fixiert. Wenn aber doch noch ein geeigneter männlicher Mann auftaucht,
     heißt es, der über das Geschick und die Geduld verfügt, diese Leidenschaft freizusetzen, dann ist die Heftigkeit der entfachten
     Hitze ungeheuer. Wenn sie erst mal entzündet ist, gibt es bei einer homosexuellen Frau kein Halten mehr. Dann muss ein Mann
     einen kühlen Kopf bewahren, sonst ertrinkt er im Strom ihrer Leidenschaft. Außerdem, hat er gehört, fühlt sich die homosexuelle
     Frau dem Mann verpflichtet, der sie aus ihrer sterilen, nach innen gekehrten Besessenheit befreit, und |348| drückt ihre Dankbarkeit mit einer grenzenlosen sexuellen Hingabe aus, die Andrijs Vorstellungskraft übersteigt.
    Die arme haarlose Frau mit den schönen Augen und den verführerischen Brauen, ihr geheimnisvoller blasser Körper unter den
     Schichten graubraunen Stoffes, hungrig nach der Liebe eines guten Mannes, erfüllt Andrij mit heftigem   … Mitleid. Und auch wenn er natürlich ganz für Irina und ihre gemeinsame Zukunft da ist, fragt er sich, ob Irina etwas dagegen
     hätte, wenn er aus Güte, aus reiner Barmherzigkeit, diese traurige gefangene Kreatur aus dem Kerker ihrer verdrängten Leidenschaft
     befreit.
    Oh, sei nicht so ein Idiot, Andrij Palenko.
     
    Nach dem Essen sagte Rock: »Kommt. Es wird Zeit, dass ihr die Ladys kennenlernt.«
    Dann führte er Andrij und mich und eine kleine Hundemeute den Weg zurück und auf der anderen Seite der Straße einen steilen
     Waldweg hinauf. Mitten im Aufstieg blieb ich stehen und drehte mich um, aber das Camp war kaum zu sehen. Der grüne Wohnwagen
     und die verblichenen grünen Zeltplanen wurden fast vollkommen vom Laub verschluckt. Ich sah nur die dünne Rauchfahne, die
     durch das Blätterdach nach oben stieg. Krieger Heather, der uns begleitete, zeigte auf eine Stelle, wo rosa Gestein zutage
     lag.
    »Das ist der Sandstein, den sie brechen wollen«, sagte er. »Hübsche Farbe, nicht? Er wurde 1952 lizenziert. Jetzt wollten
     sie den Steinbruch wieder öffnen. Aber wir haben sie aufgehalten.«
    »Ihr habt sie aufgehalten? Mit Camp?«, fragte Andrij.
    »Ja. Sie haben uns verklagt, aber das Gericht hat die Klage abgewiesen. Eigentlich müssten wir feiern, aber irgendwie ist
     es traurig, weil es bedeutet, dass das Camp am Ende ist. Ein paar von uns haben fünf Jahre hier gelebt. Stimmt’s, |349| Rocky?« Seine Stimme und Redeweise waren sehr kultiviert, ganz anders als Rocks breiter Arbeiterdialekt.
    »Aye«, sagte Rock, der vorausgegangen war, aber jetzt stehenblieb, um auf uns zu warten. »Verdammt traurig. Bin seit drei
    

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