Caravan
jemand auf dich, schöne Jola?«
»Was geht dich das an?«, antwortet Jola kurz.
»Ich wollte nur sagen, wenn es so jemanden gibt, dann ist er ein glücklicher Mann.«
»Nicht so glücklich, wie du denkst. Was weißt du schon vom Glück?«, zischt sie. »Halt lieber den Mund, Herr Poet, wenn du
nicht weißt, wovon du redest.«
Auf der anderen Seite versuchen Emanuel und das chinesische Mädchen Nummer zwei herauszufinden, woher der andere kommt. Emanuel
erfährt, dass sie seltsamerweise nicht aus China ist, und sie erfährt, dass er aus Afrika ist, was alle schon wussten. Dann
drängt Vitali ihnen noch ein Bier auf, aber Marta mischt sich ein und rügt ihn sanft, dass er Emanuel ausnutzt, der zu jung
ist und offensichtlich schon genug getrunken hat. Das chinesische Mädchen Nummer zwei fängt heftig zu kichern an und bald
kichern sie alle, sogar Marta.
|56| Dann holt Tomasz die Gitarre heraus und fängt an, schreckliche gereimte Lieder zu singen, die er selbst komponiert hat, von
einem Mann, der auszieht, um die Frau seiner Träume zu finden.
Jola sagt, er soll den Mund halten.
Andrij fragt Irina: »Singst du uns was vor, Ukrainka?«
Wieder sieht sie ihn kühl an. »Warum fragst du nicht Emanuel?« Und damit schlägt sie die Zähne in ein Stück Fleisch.
Hm. Er scheint nicht weiterzukommen bei diesem Mädchen.
Liebe Schwester,
ich wünschte, du wärest hier, denn in Kent sind die Erdbeeren noch erlesener als die Erdbeeren von Zomba. Heute, am Tag meines
achtzehnten Geburtstags, haben wir eine vorzügliche Party veranstaltet. Mein Mzungu-Freund Andree und ich haben ein großes
Lagerfeuer gemacht, das wir mit fieberhaftem Hecheln und Fächeln zum Rauchen brachten, und es gab ein erlesenes Mahl, gekocht
von Marter, einer herzensguten Katholikin, aber sie ist noch nicht zum Himmel aufgefahren, und nach dem Essen saßen wir auf
dem Hügel und betrachteten den herrlich schönen Sonnuntergang (aber nicht so herrlich schön wie die Sonnuntergänge in Zomba),
und die Sonne versank wie eine feuerige Scheibe, und der erste Stern strahlte am Firment wie ein Diamant, und mit der Dunkelheit
wurde es kühler in den Hügeln. Und als unsere Herzen geöffnet waren, begann ein jedes zu singen.
Der polnische Mzungu namens Tomasch besitzt eine Gitarre, die von größtem Interesse für mich ist, und er sang die Ballade
von einem Mann mit einem Tamburin. Dann sangen die beiden Chinamädchen in hohem Sopran ein
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unaussprechliches Lied von großer Schönheit. Das Ukrainermädchen sang auch, süß, mit choraler Begleitung von Andree, der sie
eifrig betrachtete. Dann sang Marter ein Loblied, mit der Hilfe ihrer Tante. Und ich sang mein Lied
Veni, Veni, Emanuel
, das Schwester Theodosia mich gelehrt hat. Und am Ende sangen alle
Happy Birthday lieber Emanuel
, und so erfuhr ich, dass dieses vorzügliche Lied nicht nur auf Englisch, sondern auch auf Ukrainisch, auf Polnisch und auf
Chinesisch bekömmlich ist!!! Vereint durch die Musik spürten wir alle das Leuchten dieser Nacht.
Ich hatte zwei Dosen Bier getrunken, was mehr ist, als ich gewohnt bin. Immer wenn sich jemand ein Glas Alkohol einschenkte,
stimmte Mutter ihren Predigerton an und sagte: »Irina, eine betrunkene Frau ist wie eine von Mehltau befallene Rose.« Aber
wir alle hatten zu viel getrunken, sogar Marta. Jetzt kümmerte sich Marta um den Abwasch. Jola sollte ihr eigentlich helfen,
aber sie war verschwunden. Die chinesischen Mädchen hatten jede zwei Bier getrunken und sich in den Wohnwagen zurückgezogen
– die Mücken machten ihnen zu schaffen. Emanuel hatte acht Bier getrunken, und dann hatte er sich neben der Glut ausgestreckt
und war eingeschlafen. Tomasz hatte sechs Bier getrunken und sich die ganze Zeit beschwert, dass er viel lieber ein Glas guten
georgischen Wein gehabt hätte, und jetzt schrammelte er noch so ein deprimierendes Klagelied vor sich hin, darüber, wie sich
die Zeiten ändern. Vitali sammelte die leeren Dosen ein und zählte seine Einnahmen. Andrij hatte mindestens acht Bier intus,
und als ich seine Hand von meinem Knie wegstieß, stand er auf und wanderte schwankend über das Feld davon. Ein betrunkener
Bergmann ist nicht sehr anziehend.
Kaum war die Sonne untergegangen, wurde die Luft kühl |58| auf meinen nackten Armen und Beinen, und so ging ich in den Wohnwagen, um mir ein Sweatshirt und Jeans anzuziehen. Drinnen
saß Jola, die sich ihr gefärbtes Haar kämmte und billigen
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