Caravan
genießbarer sind. Diesmal
wird sie sie mit Weißbrotscheiben in eine Schüssel schichten, als Geburtstagspudding statt einer Torte für Emanuel, den sie
besonders ins Herz geschlossen hat. Kerzen gibt es nicht, aber dafür werden später die Sterne herauskommen.
|53| Emanuel sieht zu, wie Tomasz die Gitarre stimmt. Dann hält Tomasz ihm die Gitarre hin und zeigt ihm ein paar Griffe. Vitali
holt seinen Biervorrat heraus, und seine Kasse. Ciocia Jola hat die Unterhose mit der lila Schleife von der Wäscheleine angezogen,
einen kurzen Rüschenrock und eine tief ausgeschnittene Bluse. Alles für ihren Liebhaber. Marta versteht nicht, was ihre Tante
an dem Bauern findet. Knödel nennt sie ihn. Er ist eher ein Fettkloß. Wenn sie schon Unzucht treibt, könnte sie sich doch
einen attraktiveren Mann aussuchen. Aber Gott wird ihr zweifellos vergeben. So ist er eben.
Das chinesische Mädchen Nummer eins schlägt mit einem Löffel gegen einen Topf wie auf einen Gong, und alle versammeln sich
um das Feuer und freuen sich auf Martas Festmahl.
Unten im Tal schimmern sommerliche Dunstschleier in den Baumwipfeln und die Schatten fließen ineinander. Das kristallklare
Licht des Tages wird weich und gedämpft, als würde es durch mehrere Lagen Seide scheinen. Die Silberstreifen der Wolken haben
sich rosa gefärbt, aber noch ist der Himmel hell, und es wird noch eine Stunde dauern, bis die Sonne die Baumkronen erreicht.
Es ist fast Mittsommer. Ein Drosselmännchen sitzt auf dem Ast einer Esche im Wäldchen und singt sich das Herz aus dem Leib,
und von der anderen Seite des Wäldchens antwortet seine Gefährtin. Das ist das einzige Geräusch, das die Stille stört, bis
auf einen bellenden Hund im Wald, weit weg.
Ein Abend wie dieser ist eine Gottesgabe, denkt Marta, als sie ein Dankgebet zum Himmel schickt. Dann kann das Fest beginnen.
Nur Irina fehlt. Andrij macht sich auf die Suche und findet sie schlafend im Wohnwagen. Sie hat die Hände unter dem |54| Kinn gefaltet, und auf ihren Wangen zeichnen sich zwei rosige Kreise wie Rosenblätter ab. Ihre Lippen sind leicht geöffnet.
Die orange Schleife hat sich gelöst, und lose Strähnen ihres dunklen Haars ergießen sich über das Kissen. Er sieht sie einen
Moment lang an. Wirklich, für ein ukrainisches Mädchen ist sie nicht übel.
»Aufwachen. Essen ist fertig.«
Beinahe hätte er gesagt: »Aufwachen, meine Süße.« Aber wieso sollte er so was sagen? Glücklicherweise bleiben die Worte stecken,
bevor sie ihm über die Lippen kommen und es peinlich wird. Irina gähnt, streckt sich und reibt sich die Augen. Dann rollt
sie sich aus dem Bett, noch etwas wackelig vom Schlaf. Er reicht ihr die Hand, um ihr aus dem Wohnwagen zu helfen, und sie
stützt sich kurz auf ihn, dann zieht sie die Hand weg.
Die Erdbeerpflücker sitzen im Kreis und reichen die dampfenden Teller weiter: Klöße, geschmortes Kaninchen mit Würstchen und
geröstetem Brot, Bärlauch, Pilzen und Kartoffeln. Der köstliche Duft aus den Schüsseln kommt ihm vor wie ein Wunder. Er zittert
beinahe vor Erwartung; er hat einen Bärenhunger. Nachdem Marta das Gebet gesprochen hat, verkauft Vitali jedem eine oder mehr
Dosen eines besonders guten Lagers zu besonders günstigem Preis. Zuerst essen sie schweigend, lauschen den Vögeln und sehen
dem magischen Lichterspiel am Himmel zu, während die Sonne zum Horizont sinkt. Nach einer Weile fangen sie an zu reden, ein
Durcheinander von verschiedenen Sprachen.
Andrij sitzt auf einem niedrigen Baumstumpf neben Irina und beobachtet sie aus den Augenwinkeln. Ihm gefällt die Art, wie
sie isst, die Begeisterung, mit der sie sich das Essen in den Mund schiebt und nur von Zeit zu Zeit innehält, um sich das
Haar aus dem Gesicht zu streichen.
|55| Er beugt sich zu ihr und flüstert ihr ins Ohr: »Und, hast du zu Hause einen Freund?«
Sie dreht den Kopf, sieht ihn kühl an. »Ja, habe ich, natürlich. Er ist zwei Meter groß und er ist Boxer.«
»Wirklich?«
»Natürlich.«
»Wie heißt er denn?«
»Er heißt Attila.«
Sie sieht gar nicht aus wie der Typ, die einen Boxer zum Freund hat, aber Frauen sind bekanntlich unberechenbar, und er hat
gehört, dass die feinsten Damen sich manchmal von den brutalsten Kerlen angezogen fühlen. Vielleicht hat er doch eine Chance
bei ihr.
Links neben ihm macht Tomasz einen ähnlichen Versuch. Auf Vitalis Autositz rückt er näher an Jola heran und schnurrt: »Wartet
daheim in Polen
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